Köln- Rezension zum Konzert vom 19. Juni 2019 in der Wundertüte mit Heike Kraske (voc),Stefan Hansel (p), Gerd Brenner (b), Martin Littfinski (dr). Facebook – viel kritisiert – hat auch seine guten Seiten, wenn man es richtig zu nutzen weiß. Jedenfalls lerne ich immer wieder neue Musiker, Künstler usw. kennen, nur weil ich hier und da ein „like“ hinterlassen habe.
Über die FB-Gruppe „In Memory of Roger Cicero“ lernte ich den Sänger Klaus Grätzer kennen, der bereits 2014 die Band „Roger“ ( ro´3e:) gründete und neben Cicerosongs auch Soul- und Popklassiker mit deutschen Texten bei seinen Auftritten vorstellt. Vom Pianisten dieser Formation – Stefan Hansel – bekam ich dann den Hinweis auf die Konzerte in Kölns „Wundertüte“ – http://www.wundertuete.koeln/index.html welche jeden Monat am dritten Mittwoch stattfinden.
Bei diesen Konzerten steht allerdings Heike Kraske für die Vocals am Mikrophon. Die drei anderen Musiker sind alle auch bei „Roger“( ro´3e:) unterwegs. Die typische Kölner Eckkneipe mit uriger Atmosphäre ist größenmäßig sehr überschaubar und die Musiker müssen sich auf kleinem Bühnenpodest recht eng arrangieren. Als Zuschauer ist man hautnah am Konzert. Sowohl optisch aber besonders akustisch fühlt man sich versetzt in einen Jazzkeller und versteht, warum die Jazzkeller im großen Maße dazu beigetragen haben, den Jazz populär zu machen. Denn mit den Livedarbietungen in den Jazzkellern der Welt begeisterten sich Jazzfans für diese breitgefächerte Musik.
Das Konzert beginnt ohne Sängerin mit einer frühen Komposition von Till Brönner: „Ku’damm 1:30am“. Der Sound ist klar, transparent. Das Piano hell, filigran, schnell. Das Schlagzeug federnd, wuchtig und dominant. Und der Kontrabass warm und satt. Zusammen definitiv ein „Jazzsound“ wie der Fan ihn liebt! Man spürt sofort die Verbundenheit, mit welcher musiziert wird und die sich auch mit der Sängerin während des gesamten Konzerts harmonisch fortsetzt.
Heike Kraske kann mit der großen Wandlungsfähigkeit ihrer Stimme durchweg faszinieren. Auf dem Programm stehen im interessanten Wechsel Jazz, Popsongs, Balladen, Bossa Nova, und immer wieder Scatgesang. Letzteren konnte Heike mit ungeheurer Variationsbreite immer wieder neu und überraschend im jeweiligen Song einsetzen. Beim Bossa Nova war ihr scatten weich und träumerisch-romantisch. Bei Titeln wie „Four Brothers“ war ihr Scat schnell und dynamisch.
Dieser instrumentale Jazzstandard der Vierziger Jahre ist ein kompositorischer Geniestreich. Er vereinigt Bebop, Cool Jazz und Swing und verlangt mit einer raffiniert-vertrackten Melodie besonders für Vokalisten großes Können. Heike Kraske meisterte diese Exkursion in Perfektion. Besonders die hohen Noten bekamen in der temporeichen, immer melodietreuen Darbietung glasklare Konturen. Aber auch mit Songs, in denen sie „freien“ Scatgesang improvisierte war sie überzeugend und hochmusikalisch.
Eine andere besondere Stärke ihrer Musikalität und Ausdruckskraft zeigte Heike in den Balladen. Herausragend waren ihre Interpretationen von „Save Your Love For Me“ (Nancy Wilson glänzte damit 1961 in einer Aufnahme mit Cannonball Adderley) und dem Stingsong „I Was Brought To My Senses“.
Hier beeindruckte sie mit emotionalen, gestaltungsreichen Soul-Jazz-Phrasierungen und einem großen Tonumfang ihrer Stimme. Die Musiker schufen adäquat einem gefühlvollen Klangteppich und erfreuten mit virtuosen Soli. Heike Kraskes bestechende Intonationsicherheit kam manchmal auch am Ende einer Ballade sehr schön zur Geltung, wenn sie mit ornamentalen Klanglinien ein Stück a capella beendete.
Der Gilbert O’Sullivan-Song „Alone Again“ war ein verdienter Welterfolg für diese wunderschöne Komposition. Er kam mir aber jetzt in einer Art „musikalischer Entschleunigung“ etwas zu träge daher. Mit dem 1967er Hit „Light My Fire“ (The Doors) zeigten sich Musiker und Sängerin jedoch wieder in Hochform und so bekam das Konzert einen funkigen, würdigen und stark beklatschten Abschluss.