TONY BENNETT CELEBRATES 90 Opulente Feier mit Superstars

1998

Köln – TONY BENNETT CELEBRATES 90 – Opulente Feier mit Superstars – und zwei schlimmen Ausrutschern. Am 3. August 2016 wurde Tony Bennett, der große Crooner und US-Entertainer neunzig Jahre alt. Am 15. September gleichen Jahres gaben sich Superstars der Musikbranche die Ehre, live in der Radio City Music Hall, N.Y. mit Tony zu feiern. Das Ereignis liegt als CD vor, und die Duette – aber auch die Soloperformances von Tony sind überwiegend gelungen und machen viel Freude.

Bennett, der 1949 von Bob Hope entdeckt wurde, hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Er wurde zunächst in den 50s und 60s populär und mit einigen Songs sehr erfolgreich. Mit „I Left My Heart In San Francisco“ hatte er 1962 einen Hit und der Songs wurde sein Markenzeichen. Ende der 60s wurde es um ihn stiller, seine Albumverkäufe gingen stark zurück. Sein Musikstil war nicht mehr gefragt in einer Zeit wo Künstler und Gruppen wie Bob Dylan, Janis Joplin, Frank Zappa, Santana, Pink Floyd, The Beatles oder The Rolling Stones Superstars wurden und Millionen Alben verkauften.

Es folgte eine fast zwanzigjährige Durststrecke in der er mühevoll mit Las-Vegas-Auftritten überlebte. Tatsächlich hätte ihn 1979 eine Überdosis Kokain beinahe sein Leben gekostet. Erst Anfang der 90s bescherten ihm einige neue Alben, die mehr als früher dem Jazz zugewandt waren ein unglaubliches, bis heute andauerndes Comeback. Und es regnete Grammies. Abgesehen von seinen ersten 2 Grammies 1962, wurden ihm 17 Grammies von 1992 bis 2016 verliehen.

Bevor ich zu den Solostiteln der berühmten Gratulanten komme, befasse ich mich mit Tony und seinem Gesang. Diese jüngsten Aufnahmen zeigen, dass Tony’s Gesang – besonders bei Balladen – immer noch großartig ist. Kraftvoll hält er die Noten, phrasiert weich bis aufgeraut – und das Vibrato des Neunzigjährigen ist keineswegs leiernd wie bei vielen älteren Kollegen, sondern kontrolliert und von großer Sicherheit. Selbst die große Ella Fitzgerald hatte bereits in der Mitte ihrer Siebziger Jahre stimmlich deutlich stärkere Alterungsprobleme und speziell bei Balladen – wenn der Ton gehalten werden musste – ein zittriges, zu starkes Vibrato. Und kein Kritiker hatte ihr das jemals angekreidet, weil ihr Ausdruck musikalisch und stilistisch immer noch über jeden Zweifel erhaben war.

Selbstverständlich hört man auch bei Tony Bennett: das ist eine „ alte“Stimme – aber Dank seiner Musikalität und exorbitanter Technik ist es noch immer ein Genuß ihm zu lauschen. „I Left My Heart In San Francisco“ gelingt ihm noch immer wunderschön und wird stürmisch gefeiert. Tony’s Meisterstück an Gesang aber ist auf dieser CD „How Do You Keep The Music Playing?“ Wie er den Song erfindungsreich in vielen abgestuften Variationen und immer höher steigende Noten abschließt – das ist ein Erlebnis und sowieso für einen neunzigjährigen Künstler wohl einmalig.

Ganz anders beurteile ich seinen Gesang bei den schnellen Songs. Hier wird sein Alter deutlicher, er hört sich angestrengter an. Er „mogelt“ sich da viel mehr durch die Melodie als bei den Balladen. Immer noch gekonnt – aber sein Singen geht dann doch etwas in Richtung „Sprechgesang“ wenn er viele Vokabeln eher dynamisch herausschleudert als „singt“. Da erweisen sich bei den stark rhythmischen Songs (Who Cares, I Got Rhythm) die Soli von Piano, Guitar und Drums – als günstige Atempause – ebenso, wenn er innerhalb der Songs die Musiker vorstellt. Zusammenfassend kann ich für mich aber sagen, dass der Gesang des 90jährigen Tony Bennett mir weitaus besser gefällt als Frank Sinatra mit seinen letzten Aufnahmen, als er um die Achtzig war.

ZU DEN ANDEREN KÜNSTLERN

Lady Gaga: An ihren Pop-Alben war ich nie sonderlich interessiert – aber es ist nette Musik für den Crosstrainer. Überrascht hatte mich ihr Duettalbum „Cheek To Cheek“ mit Tony Bennett – und auch überzeugt. Danach hatte ich mir einiges von ihr auf YouTube angehört. Ich halte sie für sehr talentiert und vielseitig. Von den aktuellen Popsängerinnen – von Rhianna über Beyonce bis hin zu Adele – gefällt sie mir am besten. Ihr „Lady Is A Tramp“ kommt herrlich leicht, lebenslustig und swingend. Würde sie in den Vierzigern gelebt haben – bestimmt wäre sie eine fabelhafte Jazz- und Swing-Sängerin geworden. Auch ihre Interpretation von „La Vie En Rose“(die ich mir im Voraus schwer vorstellen konnte) ist ausdrucksstark und mit der richtigen Prise Pathos gesungen. Lady Gaga ist eine Sängerin die sich hochmusikalisch und immer unangestrengt in sehr unterschiedliche Musikgenres einfindet und sie hat natürlich einfach eine tolle Stimme – im Gegensatz zu Madonna.

Michael Bublé: Endlich einmal geht der erfolgsverwöhnte Bublé etwas mehr aus sich heraus – läßt mit„The Good Life“ mehr Dampf ab und into niert härter als man auf seinen letzten Alben hörte, die leider immer routinierter und gesanglich „softer“, jedenfalls wenig aufregend ausfallen. Vielleicht liegt es an der Liveperfomance oder an der namhaften Konkurrenz, dass er sich hier mehr ins Zeug legt. Steht ihm sehr gut und das Orchester mit großartigem, wuchtigem Arrangement hat erheblichen Anteil daran, dass die Nummer so mitreißend ist.

Andrea Bocelli: Was hat Herrn Bocelli bloß bewogen an diesem Abend so ein rührseliges bis penetrantes „Ave Maria“ zu singen? Das passt zu Weihnachten oder kann man sich bei einer Beerdigung vorstellen. Der Song ist innerhalb dieses Konzerts einer Birthday Celebration extrem deplatziert. Zudem klang Bocelli schon besser und die Begleitung des fast einschlafenden Kinderchors ist nur schwer erträglich. Neben noch einer anderen schrecklichen Performance ist „Ave Maria“ der Song, den man auf dieser CD ganz schnell überspringen sollte. Warum sang Bocelli nicht eines der schönen italienischen Lieder von denen er viele im Repertoire hat?

Kevin Spacey: Ein guter Schauspieler und wie sein schönes Medley „The Very Thought Of You/ If I Ruled The World“ zeigt, ist er auch einwirklih guter Sänger. Schon 2004 inszenierte er mit „Beyond The Sea – Musik War Sein Leben“ eine Filmbiografie über Bobby Darin in der er alle Darin-Songs selber sang und dafür von den Kritikern gelobt wurde. Insofern ist es dann auch nicht o überraschend, wie gekonnt er bei „If I Ruled The World“ weit ausholt und mit voluminöser Stimme beeindrucken kann.

Diana Krall: zunächst ist sie eine gute Pianistin – obwohl ihr Spiel bei diesem Song „I’ve Got The World On A String“ haargenau so klingt, als lieferten sich Oscar Peterson und Erroll Garner ein Match. Swingend und virtuos ist es auf alle Fälle. Aber ach – wäre sie doch eine so gute Sängerin wie Pianistin! Als eine der zur Zeit populärsten Jazzsängerin genießt Diana Krall höchste Wertschätzung. Ich kann es nicht wirklich nachvollziehen. Wenn ich an Sängerinnen wie Dee Dee Bridgewater, Dianne Reeves oder Lizz Wright denke, kann ich Dianna Krall leider nur von der ersten Reihe ins Mittelfeld der Jazzsängerinnen verweisen. Ja, Krall hat eine gute Vorstellung davon, wie Jazz klingen sollte, das kann sie auch vermitteln, andererseits fehlt ihr unendlich viel an sängerischen Qualitäten – das zeigt auch diese Performance. Sie singt mit einer Stimme die das Gegenteil von „atemberaubend“ ist – ohne wirkliche Emotion, Dynamik oder Intensität. Das Tempo ist rasant – sie hackt die Silben hastig, hart und eckig. Swing und improvisatorische Phrasierung geht anders. Diese wunderschöne Komposition von Harold Arlen war textlich und musikalisch als Ballade angelegt – und so funktioniert sie besser. Nur ihr dominierend swingendes Pianospiel rettet Krall. Sie erntet auffallend großen Applaus.

Billy Joel/Tony Bennett: Was kann schon schief gehen wenn der Schöpfer seines Songs ihn selber singt und einen so großartigen Gesangspartner wie Tony Bennett hat? „New York State Of Mind“ ist als Song ein Geniestreich – und bestens geeignet für die beiden Vollblutsänger alle Register zu ziehen. Sie liefern sich eine umwerfend energievolle Perfomance und besonders Bennett überwältigt mit riesigem Stimmaufwand. Ein begleitendes laut gespieltes Saxophon intensiviert noch die schwelgerische Nummer.

Und dann kommt der Schock: Rufus Wainwright mit“I Can’t Give You Anything But Love“! Der alte, immer schnell gespielte Swingklassiker wurde von Judy Garland bei ihrem legendären Carnegie-Hall-Konzert von 1961 als Ballade gesungen. Rufus hatte als Garland-Verehrer das gesamte Konzert 2007 Song für Song (nicht ausgesprochen kreativ) 1 : 1 nachgesungen. Wainwright, aus einer angesehenen Künstlerfamilie stammend – war vom Start weg immer ein Liebling der Kritiker. Trotz Lob polarisierte das Album natürlich und viele Garlandkenner und Bewunderer finden, dass es einem Sakrileg gleich kommt. Ich finde speziell die getragenen Songs unerträglich – ebenso wie diesen Titel hier auf der Bennettfeier. Rufus singt wieder die gleiche Version mit ebenso unvergleichlich tranig-langezogener Stimme. Nach Billy Joel und Tony Bennett ist diese lahm singende Transuse. ein echter Schock und ein akustisches Ärgernis. Seine bedächtige, auf Emotion zielende und tödlich träge Interpretation wird von Note zu Note penetranter und ist fast schon eine Parodie. Wenn Rufus Wainwrigth Balladen singt, klingt das immer so, als habe man ihn urplötzlich aus einem Valium-Tiefschlaf gerissen und ihn vor das Mikrophon gezerrt. Ich weiß nicht was furchtbarer ist: Bocelli mit „Ave Maria“ oder diese Nummer.

K.D. Lang: „A Kiss To Build A Dream“ ist ein romantisch-charmanter Song. K.D Lang singt mit zärtlichem Einfühlungsvermögen und sanftem Swing. Der Song ist schön arrangiert mit einem perlendem Gitarrensolo. Am Ende des Songs kommen sehr kräftige Töne, die man so nicht von ihr erwarten würde. Einfach schön – und alles viel stimmiger als bei Diana Krall.

Stevie Wonder: Mit „Vision“ erhält das Album nach „New York State Of Mind“ noch einen weiteren wirklich grandiosen Song. Und auch Stevie enttäuscht nicht. Er ist hervorragend bei Stimme und klingt besser und weniger „gequetscht“ bei den hohen Noten als auf dem Duett mit Barbra Streisand. ( Album „Partners“ 2004). Seine eigenen Songs passen eben doch besser zu ihm. Der Song mit seiner geheimnisvollen Stimmung und sphärisch angelegtem Arrangement fasziniert immer noch. Diese aktuelle Performance macht deutlich, dass erstens solche Musik heute nicht mehr geschrieben wird, und zeigt zweitens, welches Ausnahmetalent Stevie Wonder war, ist und immer sein wird. Welche Wohltat einen schwarzen Sänger zu hören, der ohne den RAP-Wahn auskommt.

Elton John: Wenn man längere Zeit keinen Song von Elton gehört hat, kommt man nicht umhin zu erkennen, wie markant seine Stimme ist, besonders wenn man ihn dann mit einer so wunderbaren Popballade. Hört. Typischer als „Can You Feel The Love Tonight“ kann ein Song von Elton John nicht klingen. Man würde ihn unter Hunderten von Songs sofort Elton zuordnen. Viel mehr kann man dazu nicht sagen. Elton John hat immer das richtige Feeling, ist total präsent mit seiner Stimme und schnulzt niemals, egal wie emotional auch ein Song ist.

Leslie Odom, Jr. bekam jüngst für seine Performance im umjubeltem Musical „Hamilton“ einen Tony Award. Hört man ihn nur, glaubt man wegen seiner hohen Stimme eher eine Sängerin als einen Sänger zu hören. „Autum Leaves“ stellt er vor – ein weltberühmter Song den unzählige Sänger aller Genres gesungen haben. Seine Version ist leicht, sanft und mit vielen Jazzakzenten durchtränkt, bleibt aber immer entspannt. Leslie’s Stimme harmoniert wunderbar mit den verspieltenm Pianoklängen von Michael Mitchell. Eine schöne Performance.

Obligatorisch und gutgelaunt klingt die Bennett-Feier aus mit Stevies „Happy Birthday“.

Summa sumarum: Ein gut unterhaltendes, freudemachendes und stilistisch vielfältiges Album – bis auf die zwei schlimme Ausrutscher von Bocelli und Rufus Wainwright.

Deshalb statt der Höchstnote mit fünf Sternen nur vier !

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