Der Titel dieses Albums ist gut gewählt „“ denn Billy Strayhorn war und ist zwar in der Jazzwelt nicht nur durch seine Freundschaft und Zusammenarbeit mit Duke Ellington künstlerisch anerkannt – aber was seine Popularität betrifft, stand Strayhorn zeitlebens bis zu seinem frühen Tod mit zweiundfünfzig Jahren (1967) im übermächtigen Schatten einer der größten Jazzikonen überhaupt: Duke Ellington.
So wird der Klassiker „Take the A-Train“ – längst ein Synonym des Ellington-Jazz der 40s – immer noch oft und gerne dem „Duke of Ellington“ zugeschrieben und nicht Billy Strayhorn. Auch bei Jazzklassikern wie „Satin Doll“ oder „Lush Life“ denkt der Jazzfan schnell an den genialen Duke, gleichwohl Billy Strayhorn ein ebenbürtiges Talent als Komponist und besonders als Arrangeur war.
Deshalb kann ein Billy-Strayhorn-Tribute wie es Thomas de Lates mit dem brillanten Andy Lutter Trio im Herbst 2013 eingespielt hat, nur willkommen sein. Im sorgfältig produzierten Booklet der CD wird zweisprachig (deutsch/englisch) beschrieben und aufgeklärt, wer Billy Strayhorn war, und es gibt eine Einführung in jeden der dreizehn Songs. Zwei davon wurden übrigens für diese CD als Ergänzung oder eine Art „Alleinstellungsmerkmal“ von Andy Lutter komponiert und getextet von Thomas de Lates.
Gleich im ersten Song „Take the „A“ Train“ eröffnet sich die hohe Qualität dieser Produktion. Die warme Baritonstimme von Thomas de Lates ist sogleich sehr präsent und in den nacheinander vorgestellten Soli der Musiker „“ Saxophon, Piano, Bass – begleitet von den silbrig-swingenden Beckenschlägen des Schlagzeugers Sunk Pöschl – übertrumpft die kreative Spielfreude sogar noch die augenscheinliche Professionalität.
Beim swing-gemäßigten „Satin Doll“ zeigt sich, dass Thomas de Lates hier im Gegensatz zum vergleichsweise schnelleren „Take the „A“ train“ ein geschmeidigeres Timing hat und besser mit Phrasierungen spielen kann. Eindrucksvoll auch die Bass-Einleitung und wieder die Piano- und Saxophon-Soli. Allen Musikern wird auf diesem Album viel Freiraum für Improvisation gewährt.
Gesanglich kann Thomas de Lates für mein Empfinden am ehesten in den Balladen überzeugen. Das wird sehr deutlich, bereits im dritten Song des Albums, „Lush Life“. Seine dunkle, ausgereifte Stimme betont nuanciert die Lyriks und phrasiert die edel-raffinierte Melodie in der genau richtigen Weise, wie sie zu verstehen sind.
„Life is lonely“ hieß der Song anfänglich, als Strayhorn an dieser Komposition bereits im bemerkenswerten Alter von sechzehn Jahren an dieser Komposition arbeitete. Die Melancholie und Schwermut von „Lush Life“ scheint geradezu symbolhaft schon im Vorfeld die meisten seiner noch ungeschriebenen Kompositionen zu unterstreichen. In den Dreißiger Jahren als kleingewachsener, farbiger Homosexuellerin den USA halbwegs zufrieden und angst- und sorgenfrei zu leben, muss auch für einen Billy Strayhorn – obschon ihm als Künstler und Musiker vielleicht eher die sogenannte „Narrenfreiheit“ zugestanden wurde – fast unmöglich gewesen sein.
Auch andere Strayhorn_Balladen auf dieser CD wie „Chelsea Bridge“, „Something to live for“, und „Passion Flower“ sind von Melancholie und tiefem Ernst geprägt. Selbst bei „A flower is a lovesome thing“ wo Strayhorn im Text die Schönheit und Bedeutung der Blumen und der Natur allgemein in Beziehung zur Liebe setzt und beschreibt, wird jede Heiterkeit oder ein positives Lebensgefühl vermisst. Es ist an sich schon ein kleines Kunststück – und ein absolut musikalisches Gehör ist vonnöten – diese komplizierten, filigran-versponnenen Melodien mit seinen ungewöhnlichen Harmonien richtig zu intonieren.
Dies gelingt Thomas De Latos einwandfrei. Auch kann er die Schönheit dieser Melodien mittels stimmlicher Klangvariationen und einem subtilem Nachschwingen seiner Noten häufig offenbar machen. Mitunter aber auch betont seine nicht mehr junge Stimme die Tristesse der Songs zusätzlich, wenn seine tiefsten Bass-Bariton-Töne allzu angebrummt daher kommen und man diese Balladen so hintereinander anhört.
Bei „Chelsea Bridge“, einer musikalisch besonders anspruchsvollen Strayhorn-Komposition, tastet sich der Sänger de Latos vorsichtig in höhere Noten, sein weiches Timbre kann sich dort klangschöner entfalten als in den sehr tiefen Registern: die Stimme enthält mehr Leben und Farben. Wie bei vielen Songs dieser CD besticht auch hier das Andy-Lutter-Trio mit einem betörend stimmigen Arrangement. Die Pianotupfer eingangs wirken wie helle, tanzende Lichtreflexe – die Melodie löst sich atmosphärisch und schwebend.
Eine sehr eindrucksvolle, kunstvoll aufgebaute und zum Teil dramatische Einspielung in Gesang und Begleitung wurde das weniger interpretierte „My flame burns blue ( Blood Count). Im CD Booklet steht dazu: „Dies ist Strayhorns letzte Komposition – fertig gestellt auf dem Krankenbett“. Der Song mit den Lyriks von Elvis Costello klingt wie eine abschließende, desillusionierende Bestandsaufnahme des Billy-Strayhorn-Lebens, aber er ist voller Poesie und Metaphern. Besonders in den Soli glänzt Pianist Andy Lutter mit seinem eigenständigen, virtuosem Spiel, sowie Bassist Thomas Hauser und Schlagzeuger Sunk Pöschl.
Andy Lutter ist sozusagen neben Thomas de Lates das gleichrangige Herzstück dieser CD. Davon zeugen die ausgefeilten, wunderbar an die komplexen Strayhorn-Klangstrukturen angepassten Arrangements und insbesondere auch die zwei Eigenkompositionen „The man behind“ und „Swee‘ Pea“. Thomas de Lates schrieb zu diesen Songs sensible Lyrics, die Bewunderung und große Empathie ausdrücken.
Letztere zwei Songs vervollständigen diesen erfreulichen, „jazz-bereichernden“ Tribut an den unvergleichlichen Jazz-Komponisten Billy Strayhorn. So endet das Album mit „See‘ Pea“ voller Annerkennung und Liebe im Gesang von Thomas de Lates und den etwas wehmütigen Klängen des Saxophonspielers Uli Wangenheim.