Henry Ford lieferte die Steilvorlage für den Tempowahn der eiligen deutschen Nation

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Foto von Mateusz Suski auf Unsplash
Foto von Mateusz Suski auf Unsplash

Köln – Henry Ford produzierte in den USA den Ford T auch Thin Lizzy genannt, das erste Automobil das zur Massenware wurde. Und es war kein Aprilscherz, als am 1. April 1926 die aus den USA zugelieferten Komponenten von anfangs 30 Arbeitern in Deutschland montiert wurden. Im Jahr 1929 waren bereits 450 Personen in dem Werk am Westhafen beschäftigt. Der Unternehmenssitz wurde 1930 in das neue Werk Köln-Niehl verlegt. Inzwischen laufen dort hoch technisierte Geräte vom Band, die man mit dem T Modell nicht mehr vergleichen kann.

Damals bewegten sich die Bürger, die es sich erlauben konnten, von A nach B zu fahren, in Berlin, Köln, oder auf dem Land noch mit der Kutsche. Das Pferd war der Antrieb. Auf dem Bock saß der Kutscher. Die Zügel waren der Lenker, das Tempo bestimmte das Pferd. Wie wir Menschen hatte das Pferd Beine und somit eine natürliche Leistungs- und Geschwindigkeitsgrenze.

Seit 1926 wird das Gaspedal als Massenware produziert

Gab Henry Ford den Startschuss für den Tempowahn? Ich füge hier ein Zitat von Verkehrsforscher Wilfried Wolf zum Thema ein,  „Die schlimmste politische Ausformung fand der Geschwindigkeitsfetischismus im Faschismus: Henry Ford, ein begeisterter Anhänger der Nazis, Benito Mussolini und Adolf Hitler setzten auf Temporausch und Autorennen zur Durchsetzung ihrer – durchaus unterschiedlichen – Ziele. Doch auch in den heutigen Gesellschaften ortet der Autor eine fatale Verbindung zwischen Beschleunigung und autoritären Denkmustern.“

Ich weiß nicht, ob ich das genau so sehen will, aber eins ist klar, ab dem Zeitpunkt der Massenproduktion begann die Raserei. Sehr schnell war klar, dass wenn sich zwei oder mehr Automobilisten in die gleiche Richtung bewegten, immer einer schneller sein wollte als der Andere. Logisch. Das Gaspedal wurde dann bis zum Anschlag durchgetreten.

Frühe Erkenntnis: Zum Überholen müssen mehr PS ans Gaspedal

Doch was nützt es, wenn man auf das Gaspedal tritt, aber beide haben einen identischen Antrieb? Die Autoindustrie reagierte prompt. Es wurden bessere Automobile konzipiert und immer mehr PS kamen ans Gaspedal und das Schicksal nahm seinen Lauf. Immer schneller, immer größer und immer so weiter. Selbst bei den E-Automobilen setzt sich das in ungeheuren Dimensionen fort.

Aus dem Ford  T-Model mit 2,9 Liter Hubraum und 14,71 kW,ist 2023 ein  5,0 Liter Hubraum Ti-VCT  8 Zylinder, mit 338kW (460PS) und 10-Gang-Automatikgetriebe geworden. Im Vergleich zum T-Modell ist diese Evolution als eine Waffe zu sehen, je nachdem wer da der Kutscher ist. Das Gerät beschleunigt in 4,4 Sekunden für den Sprint von null auf Tempo 100 und hat einen Topspeed von 267 km/h. Das E-Model hat eine Beschleunigung 0-100 km/h: 4,4 bis 7 Sekunden

Die USA setzen dem Tempo Wahn früh die Grenze

Dem Gaspedal und dem Tempo Wahn auf den Straßen setzte die USA bereits  1987  eine Grenze. Die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten innerorts und auf Autobahnen wurden drastisch auf 88 Km/h reguliert. Das war der Verkehrsdichte und den vielen Toten auf den Straßen geschuldet und die 330 Millionen Amerikaner fügen sich noch heute.

Die eilige deutsche Nation immer noch im Tempowahn

Alle Länder rund um unser geliebtes Deutschland haben ebenso wie die USA ein Tempolimit. Und sie leben und lieben das Entschleunigte, dieses ohne Eile, immer schneller sein. Wir hatten in der Ölkrise in den 70er Jahren ein Tempolimit das gut funktionierte, dann aber urplötzlich wieder gekippt wurde, gerade als wir uns daran gewöhnt hatten.

Wenn bei Twitter oder anderen Social Media Kanälen ein Nutzer -Tempolimit jetzt – schreibt, bekommt er hunderte, ja tausend Gründe genannt, warum ein solches Tempolimit sogar Freiheitsberaubung ist. Im Übrigen seien hohe Geschwindigkeiten aufgrund der Dichte und der Regelungen durch die vielen Tempozonen ohnehin gar nicht mehr möglich. Meine persönlichen Beobachtungen sind da ganz anderer Natur.

Was nützen Verkehrsschilder, wenn sie ignoriert werden?

Es ist richtig, was die Tempolimit-Gegner sagen. Wir haben Schilder satt. In Köln gibt es ganze Viertel, in denen Tempo 30 vorgeschrieben ist. Das muss so sein, denn es gab viele Verletzte und Tote auf den Straßen. Die Menschen, die in diesen Straßen wohnen, sind froh darüber, denn es erhöht die Sicherheit ihrer Kinder und Alten und die Lebensqualität.

Doch der Pizzadienst in Köln ist in Eile und brettert mit 80 durch die Straßen. Der eilige Werktätige, die zu spät aufgestandene Mutter, die eben in Eile noch pünktlich ihr Kind zur Schule bringen muss, tritt ebenso das Gaspedal durch. Alle frei nach dem Motto:“ Hier ist ja keiner. Die Straße ist doch breit genug. Ich bin halt in Eile. Kein Sheriff in Sicht. 30 km/h fährt selbst der sich in Eile befindliche KVB Busfahrer nicht. Im Schnitt fährt alles 50 Km/h. Scheiß der Hund darauf, wer dieses 30 da aufgehängt hat, diese Tuppesse im Rathaus haben sie doch nicht alle, denkt so mancher Kölner.

Ich fahre auf der Landstraße, ein rot/weißes Schild 70 km/h sagt mir, das ist ein Gebot. Die durchgezogene weiße Linie bedeutet, man darf sie nicht überfahren und ich halte mich daran. Ich werde überholt. Werde bedrängt und von hinten angehupt und angeblinkt. Immer und immer wieder werde ich einfach überholt. Vor der Kurve, nach der Kurve, wer mal einen Sonntagsausflug in die Eifel macht, oder bei mir zu Hause in Ostfriesland unterwegs ist, wird es erleben. Die immer Eiligen ignorieren Gebotsschilder generell.

Der VW Werksangehörige in Emden ist immer in Eile und brettert halt morgens früh um 5 Uhr mit 100 km/ durch die geschlossene Ortschaft, weil er die Dorfstraße mit der A31 verwechselt.  Das toppen aktuell nur noch Motorradfahrer, da wird der Gasgriff bis zum Anschlag gedreht. Wie kühl, oder?

Wie könnte der Tempowahn enden?

Nun bin ich selbst kein Kind von Traurigkeit, was das Rasen und Tempo angeht. Als Ex-Motorsportler erfordert es auch für mich maximale geistige Anstrengung, sich an die Regeln zu halten. Ich habe so etwas wie Verständnis für die Eiligen. Dieses Gaspedal durchtreten, das ist schon ein Gefühl, der Macht, der Freiheit.

Doch inzwischen lasse ich das und bin sogar froh, dass im Nachbardorf 30 km/h ist, weil die Automobile alle zu eilig sind und es obendrein für die Menschen in den Häusern dicht an der Straße, Hölle laut und gefährlich ist. Wie auch in vielen anderen kleinen Dörfern und Gemeinden in ganz Deutschland, die dieses fix von A nach B rasen, Tag für Tag ertragen müssen. Und die alle sagen: „Wenn sich alle an das Limit halten, dann ist es für uns erträglicher.“

Wie wäre es mit einem Zwischenschritt zur Entschleunigung?

Da sich keiner an die Schilder hält, könnten wir die erst einmal alle abmontieren und eine einheitliche Deutschland weite Regelung treffen. Zuerst einmal sollten wir ein Abkommen mit, Schulen, Behörden, Arbeitgebern, Kunden, Freunden, Bekannten, einfach mit allen und jedem treffen. Hier wäre ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Konsens erforderlich.

Zu spät kommen muss normal sein

Die Eile muss weg! Wir müssen uns hin zu einer Gesellschaft entwickeln, die viel mehr Toleranz gegenüber dem „zu Spät kommen“ entwickelt. Übrigens ist das der genannte Hauptgrund vieler ertappter Verkehrssünder der Polizei gegenüber. So in etwa:“Ich war in Eile, weil ich wollte, dass mein Kind den Unterricht nicht versäumt…..das war ein wichtiger Termin und ich wollte pünktlich da sein…“

ÖNPV Nutzer sind es gewohnt zu spät zu kommen und haben trotzdem ihren Job noch nicht verloren, oder fahren eine Bahn früher. Radfahrer auf dem Weg zur Arbeit, die ein Plattfuß erwischt und das kommt öfter vor als man denkt, kennen das ebenso.

Und wir Automobilisten? Die welche Auto fahren in Holland, Dänemark, USA oder der Schweiz genießen und oft nicht genau wissen wieso. Was ist los mit uns? Können wir nicht den Fuß vom Gas nehmen? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir da gemeinsam auch ohne politisch gesetzliche Regulierung hinkommen. Wir sollten jedoch ernsthaft darüber nachdenken und dieses Thema ausführlich diskutieren, und zwar ohne Lobbyisten in der Runde.

Wie wichtig sind PS und Gaspedal drücken für den Fortbestand unserer Gesellschaft und das Wohl folgender Generationen?

Angesichts dreier Enkelkinder und vieler lieber Nachbarn in den Dörfern rund um meinen  Lebensraum, fand bei mir eine Einsicht Einzug.

Wir haben nicht nur einen Klimawandel, den viele noch negieren, sondern wir sind in der Pflicht, bei ständig wachsender Mobilität etwas zu ändern. Es ist Zeit, unser Machtgehabe einzutüten und den Fuß vom Gas zu nehmen.

Ich hätte kein Problem mit: 40 km/h Innerorts. 70 km/h auf Landstraßen. 110 km/h auf Autobahnen. Zack aus, das war es dann. Das würde die Schadstoffe in der Luft senken, den Lärm innerorts reduzieren, die Verkehrssicherheit erhöhen und somit mehr Lebensqualität schaffen.

Und das mag jetzt lächerlich und naiv klingen, aber um den Automobil-Lobbyisten und den einschlägig bekannten politisch aktiven Gegnern, die jegliche Veränderung verhindern wollen, einen Riegel vorzuschieben, wäre der einzig wahre Weg, ein Volksentscheid.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es heimlich still und leise bereits eine Mehrheit für ein Ende des Tempowahn gibt, denn egal, mit wem ich spreche, zu 90 Prozent sind wir in jeder kleinen Gesprächsrunde schon lange der Meinung: Das geht so nicht weiter.

Was muss Gesellschaft tun, wenn der einzelne Mensch kein Limit kennt?

Die Mehrheit muss die Regeln ändern und in der Regel folgt dann irgendwann die Einsicht, wenn alle nicht dürfen, dann darf ich auch nicht. Und wer es dann übertreibt, sollte mit aller Härte dafür bestraft werden. Lasst uns reden und Lösungen finden. Wir sind klug und leben nicht mehr 1926 als das Elend begann. Wir wussten nicht, wie sich die Geschichte entwickeln würde.

Doch Geschichte lässt sich verändern. Und wir waren in Deutschland immer bereit, Dinge zu verändern. Und Tempowahn gehört nicht zu den Dingen, die wir wirklich mit tiefer innerer Überzeugung wollen. Eile, Perfektionismus, Pünktlichkeit ist der eigentliche Antrieb der Raserei und des Wahns. Da müssen wir umdenken. Weniger PS und weniger Gaspedal treten, bringen uns auch von A nach Z, oder B.

Lasst uns die deutsche Bastion – „Die Freiheit der unbegrenzten Geschwindigkeiten“ – mit der wir in der ganzen Welt fast allein dastehen, einfach einstampfen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

 

 

 

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Jazzie ist mein Nickname als Jazzmusiker. COLOZINE Magazin ist mein Blog. Beruflich bin ich Inhaber einer Internetagentur in Köln und Ostfriesland. Hier fröne ich meinen Hobbys. Ich liebe Smooth Jazz und die USA Jazz Musik Szene. Als Jazz Fan sehe ich Harmonie, nicht nur in der Musik, als unser allerhöchstes Gut an. Jazz-, Pop-, Hardrock- und Bluesmusik hat die Welt verändert und ist für mich unverzichtbar. Grund genug, durch die Welt zu surfen und Ausschau nach guten Music Acts und Musikern zu halten. Ich bin Fan des 1. FC Köln. Weitere Faibles gelten dem Motorsport, Tennis und Motorrad fahren. Ich bin ein Honda Freak und lasse mir gerne den Wind um die Nase wehen. Inzwischen habe ich meinen Lebensort an die Nordsee in Ostfriesland verlagert, weil ich mein Herz an ein Denkmal von Anno 1746 verloren habe. Bei Fragen oder Fehlangaben auf den Colozine Köln News Seiten hier die Kontaktmöglichkeit Jazzie (Reinhold Packeisen) oder Mail an info@koeln-news.com :-) Tel.+49 170 90 08 08 74