Köln- STREISANDS DRITTES BROADWAYALBUM- Die Meisterin der klangschönen Intonation. Ebenso wie bei „Streisand Partners“(2014) hatte ich auch diesmal Vorbehalte als „Encore -Moviepartners Sing Broadway“ angekündigt wurde.
Ich bevorzuge Streisand mit Solo-Aufnahmen … und nun schon wieder ein Duettalbum. Das sieht nach Masche aus und dem vorrangigen Bestreben, nochmals eine Nr. 1 in den Billboard Albumcharts zu landen, wie mit „Streisand Partners“ – ihrem kommerziell erfolgreichsten Album seit ca. 20 Jahren.
Aber was Streisand macht ist meistens lange geplant, gut durchdacht – und professionell durchgeführt. Dabei entwickelt sie eigenständige, kreative Konzepte – wie bei „Encore“ ein teilweise Abändern der Original-Texte, das Einfließen von Dialogen in die Songs und die Umstellung von Solosongs zu Duetten. Meine Albumkritik befasst sich aber in erster Linie mit der musikalischen Seite ihres neuen Albums – weniger mit den Inhalten, denn dazu müsste ich zuerst alle Texte untersuchen. Aber englisch ist nicht meine Muttersprache, und die Musik kommt bei mir immer vor den Lyrics und damit VOR dem Inhalt. Die Musik ist für mich in sich selbst der Inhalt.
Zunächst: Streisands drittes Broadway-Album ist schlichtweg großartig geworden! Zwar nicht besser als ihr preisgekröntes erstes von 1985, denn „Encore“ kann meines Erachtens nicht mit der vielschichtigen Songauswahl, den frischen, inspirierenden Arrangements und der gesamten Dynamic ihres ersten Broadway-Albums konkurrieren.
Ihr drittes Broadway-Album ist also völlig anders geworden und das ist gut so. Warum sollte sie sich auch wiederholen? Mit „Encore“ tauchen wir ein in ein konsequent opulentes Bad von vorzugsweise schwelgerisch-romantischen Melodien die auch allesamt rückhaltlos mit großer Emotion und Stimmkraft gesungen werden. Skepsis gegenüber ihren Gesangpartnern kann man getrost ablegen, wenn man hört, dass eigentlich alle „singen“ können, und zum Teil mit wirklich guten Stimmen überzeugen. Auf jeden Fall aber Patrick Wilson, Hugh Jackmann, Jamie Fox und Chris Pine.
Anthony Newley hat eine sicherlich große, etwas harte und ungewöhnliche Stimme, deren Klang man mögen muss. Auch seine Aussprache empfinde ich gewöhnungsbedürftig. Jedoch hat Streisand mit Newleys eigenem Song „Who can I turn to“ posthum eines der dramatischsten Duette auf „Encore“ vorgestellt. Hier und auch beim Duett mit Jamie Fox „Climb every mountain“ wurde gegen Ende ordentlich aufgedreht, wenn beide Stimmen sich glühend vor Leidenschaft hochschrauben – womit die den Rücken runter laufenden Schauer gewährleistet wären.
Mehr oder weniger ist aber diese Form von Hochleistungsgesang bei allen balladesken Duetten von „Encore“ Prinzip. Hier werden die Schönheit der Melodien so intensiv, geradezu rauschhaft gefeiert, dass sich mir ab und zu der Begriff „Operettenseligkeit“ aufdrängt. Nur durch die eingefügten Dialoge kommen die Songs auf den Boden der Tatsachen zurück, indem sie Inhalte und Charaktere verdeutlichen. Die Dialoge sind auf jeden Fall Geschmackssache – ich mag es eigentlich weniger, wenn in Songs gesprochen wird. Aber natürlich passen sie zum Genre „Broadway“ und Streisand hat sich nicht ohne Grund ausschließlich Moviestars für diese Duette gewählt. Sicher kann ein Schauspieler mit seinen Fähigkeiten einen Theatersong inhaltlich differenzierter darstellen als ein Popsänger wie zum Beispiel Lionel Richie. Ich kann dieses Konzept der Dialoge akzeptieren, denn hört man „Encore“ mit geschlossenen Augen, entstehen automatisch Bilder, man kann sich gut das Geschehen auf der Bühne vorstellen. Mehr Dialoge hätten es jedoch nicht sein dürfen, denn letztendlich sitze ich nicht im Theater, wenn ich diese CD höre.
Kommen wir nun direkter zu Streisand und ihrem Gesang: Sie singt mit mehr Power als auf ihrem vorherigen Album, „Streisand Partners“. Auf „Encore“ kommen kraftvolle, anhaltende Noten wie Trompetenstöße. In ihrem mittleren Register empfinde ich ihr Singen sicherer und kräftiger als auf allen ihren letzten Alben seit „Love is the answer“(2009) . Einigen, hohen Powernoten hört man aber eine gewisse Anstrengung an und auch bei den Übergängen in eine andere Tonlage kommen manchmal ganz kurze heisere Töne – die mir aber in keinster Weise den Genuss vermiesen. Natürlich hat sich ihre Stimme deutlich in den letzten Jahren verändert. Heute hat Barbra Streisand einen anderen, dunkleren und weicheren Klang als früher. Ich fände es nicht passend oder schön sondern seltsam, wenn Barbra noch glockenhell klingen würde wie vor 40 Jahren! Dass ihr aber beim leiseren Singen immer noch alle Nunacierungen perfekt gelingen, ist wohl ein Glücksfall bei einer 74jährigen Sängerin.
Nach wie vor aber ist Barbra Streisands Gesang und Stimme immer noch am eindrucksvollsten mit Solosongs – in welchen sie eher ihre gesangliche Virtuosität entwickeln kann. Den Beweis liefern die vier Solo-Tracks auf der DeLux-Version von „Encore“ – die bereits den Kauf des gesamten Albums lohnen, denn sie sind von einer unvergleichlichen, zeitlosen Schönheit. Hier zeigt sich Streisand immer noch als unzweifelhafte Meisterin der klangschönen Intonation und Phrasierung.
Deluxe Version
Die vier Solosongs singt Streisand atemberaubend. Auch die Songs sind auserwählte Kostbarkeiten. Mit einer herausragenden Version von „Losing my mind“ huldigt sie einem ihrer Lieblingskomponisten, Stephen Sondheim. Und besonders „I didn’t know what time it was“ von Richard Rodgers, gehört mit zum Besten was Streisand jemals aufgenommen hat. Ich bin mir bewusst, dass dies eine mutige und sicher auch etwas euphorische Feststellung ist. In ihrer Interpretation schwebt leichtes Jazzfeeling, Chris Botti passt vorzüglich dazu mit seinem Trompetensolo.
Wegen dieser Aufnahmen gilt für mich immer noch der Satz, den Richard Rodgers 1967 auf das Albumcover von „Simply Streisand“ schrieb. Teil des Zitates: „ She makes our musical world a much happier place, than it was before“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Richard Rodgers heute etwas anderes schreiben würde – und für mich hat dieses Statement immer noch Gültigkeit.
Diese vier Solotracks sind auf der Delux-Version gut untergemischt und unterbrechen unterhaltsam die Folge der Duette. Diese sind zwar alles Songs, welcher jeder für sich eine andere Geschichte erzählt – aber musikalisch sind sie eben im Konzept des Duettgesangs ähnlich strukturiert, auch in den angesteuerten, gesanglichen Effekten. Die zwei humoristisch gelungenen Duette mit Alec Baldwin und Melissa McCarthy bieten ebenfalls willkommene Abwechslung.
Im Hinblick auf die zwei früheren Streisand-Broadway-Alben (1985 + 1993) ist „Encore“ eine Neuerung mit ganz anderen Aspekten. Auch verglichen mit dem vorherigen Duettalbum „Streisand Partners“ zeigt „Encore“ mit dem Gestaltungsdrang seiner Protagonisten und der ganzen orchestralen Inszenierung eine völlig andere musikalische Seite. Auf „Partners“ waren im weitesten Sinne Pop-Duette zu hören. „Encore“ ist purer, vielleicht auch etwas „altmodischer“ Broadway mit seinem Focus auf solche Songs, die wegen ihrer melodiösen Höhenflüge und strahlenden Gesangsexkursionen Gänsehaut erzeugen.
Aber egal, ob man nun Musical und solche Duette mag oder nicht: Barbra Streisand hat mit „Encore“ erneut ein großartiges Album vorgestellt, in dem sie mit wunderbaren Neu-Interpretationen dem Broadway und ihren Komponisten Liebe und Ehre erweist.