Schlecker Frauen von Jenny Smidt – Ein marodes System fordert Tribut

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Jenny Smidt Schlecker Frauen
Jenny Smidt Schlecker Frauen

Köln- Meine Ostfriesland Touren führen mich immer wieder zu „Olle Rheen“, das ist meine Lieblingsraststätte an der A31. Der Gerold ist mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen und ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder auf ein leckers Essen und einen small talk bei ihm vorbei schaue.  Als ich beim letzten mal zu Besuch da war, hat er mich mit dem Buch einer Ostfriesin aus der Nachbarschaft  bekannt gemacht. „Schleckerfrauen“ von Jenny Smidt.

Jenny Smidt wohnt in der Nachbarschaft von Rhede/Ems und ist eine von den ehemaligen 25000 Schlecker Mitarbeitern, die man die „Schleckerfrauen“ nennt. Sie hat am Ende eines langen Verkäuferinnen und Filialleiter Lebens, ihren Auf und Niedergang in einem kleinen Buch zusammengefasst.

Schleckerfrauen verraten,verkauft und vergessen!…

So fängt Ihr Buch an. Der Name Schlecker steht für  wochenlange Berichterstattung über  eine ehemalige Drogeriemarktkette aus Deutschland. Zeitweise verursachte es einen Medienhype. Es geht um Betrug. Insolvenzverschleppung und vieles mehr. Manch einer von uns hat den Discounter schon vergessen.Und doch ist das Thema Schlecker aktueller denn je. Zum einen beginnt gerade heute der Prozess gegen Anton Schlecker und seine Familie.

Zum anderen weitet sich Lohndumping und Mobbing im Einzelhandel ständig weiter aus. Ein Umstand, der inzwischen kaum mehr Beachtung findet. Wen kümmern schon die Probleme von Verkäuferinnen, bei gefühlter Vollbeschäftigung in Deutschland? Hinter all dem Schein und Erfolg der deutschen Marktwirtschaft, steckt eine finstere Mache.

Es ist wahrlich nicht einfach zu lesen das kleine Buch von Jenny Smidt. Die Autorin ist keine Schriftstellerin. Das macht es etwas schwierig, weil einem zuerst der Sinn der 134 Seiten nicht aufgeht.  Man erwartet Enthüllungen über Schlecker, doch man erfährt eigentlich die Enthüllung eines niederträchtigen System. Das ist das eigentliche Drama. Gezielte Ausbeutung!

Mädchenträume gehen in Erfüllung

Jenny Smidt erzählt ihre Geschichte. Es ist die Geschichte eines Dorfkindes aus Ostfriesland. Ein kleines Mädchen, dessen  größter Traum es ist, eine Karriere als Verkäuferin zu machen. Das Mädchen, das diesen Weg auch geht und es sogar bis zur Filialleiterin schafft. Um dann in den letzten Jahren,  kurz vor der Rente, in den Fängen der Schlecker Dynastie zu landen.

Das schier unglaubliche, nach dieser Zusammenfassung ihres Leben als Verkäuferin, bedankt sie sich bei der Schlecker Familie. Keine Anklage gegen Schlecker & Co. Die Nutznießer und  Verantwortlichen des Systems, die sie ans Ende brachten, erhalten noch ein Dankeschön.

Unfassbar bescheiden. Unfassbar missbraucht. Eigentlich ein Leben lang. Aufgrund des Wohnortes und des Lebens- und Familienkreises, von vorn herein chancenlos.

Wirkliche Chancen im Leben bedingen gute Bildung. Beste Ausbildung. Beste Infrastruktur.  Die ist in vielen ländlichen Regionen kaum vorhanden.  Diese Bedingungen gab es für Jenny Smidt nicht.  Und doch hat sie in Ihrem Leben durch unermüdlichen Einsatz das Beste daraus gemacht.

Sie ging weite Wege. Hat Fortbildungen gemacht. War ständig von dem Wunsch besessen die Beste zu sein. Doch nicht in einem System der freien Wahl, sondern im Dunstkreis eines Systems von Kaufhaus- oder Marktketten, wie Schlecker oder andere derartige Unternehmen. Die mit Lohndumping, Verkaufsdruck und Mobbing alles aus ihren Mitarbeitern  auspressen, bis die mit Burn Out, oder psychisch vollkommen fertig im Abseits landen. Menschen, die trotz der genannten Umstände alles und noch mehr  tun würden für das Wörtchen „Danke“ eines Anton Schlecker.

Stadtmenschen mögen das Verhalten einer Jenny Smidt  Dummheit nennen. Manche sagen auch: Die sind doch selbst Schuld!

Das sind sie nicht. Ausbeutung und  Knechtschaft sind wesentlicher Bestandteile des Kapitalismus. Alle Gedanken die Jenny Smidt notiert und sich in ihrem Leben zu eigen gemacht hat, entspringen einem durchdachten und ausgeklügelten System. Sie entstammen dem System der internen  Berufsbildung innerhalb der Unternehmen.

Es ist das System deutsche Marktwirtschaft.  Einem ausgeklügelten System der gezielten Fernlenkung von Menschen. Kein Geld ohne Arbeit. Ohne Geld kein Überleben und keine gesellschaftliche Bedeutung. Die beste  Basis für Ausbeutung mit System.

Ein Leben lang der Kampf  für ein: Danke!

Und genau deshalb war ich froh, das mir Jenny Smidt einen Einblick auf ihr Leben gewährte. In Ihre Träume und Wünsche an das Leben.  Ihr kleines Buch ist  am Ende, eine sehr eindrucksvolle Geschichte. Die Story  einer Verkäuferin, die es Ihren Kunden, Kollegen, Nachbarn, Freunden, der Familie und der Schlecker Familie  recht machen wollte.

Die für alle diese Menschen geschafft hat bis zum umfallen. Für ein „Danke“!

Eine Frau, die letztlich keinerlei Unterstützung fand und nun in einem kleinen Dorf in Ostfriesland hockt und als Rentnerin, auf Ihr Leben zurückblickt. Und die sogar den gleichen Weg ohne Schlecker, noch einmal beschreiten würde. Jenny Smidt hat 53 Jahre ihres Lebens zusammengefasst und möchte jetzt Verkäuferinnen beschützen und bewahren. Vor Mobbing.Vor Ausbeutung.  Was für ein Einsatz für euch, trotz vieler Niederlagen.

Mich bringt das sehr zum nachdenken. Brauchen wir ein derartiges System Marktwirtschaft überhaupt noch? Wann fangen wir an, nachhaltiger mit der Resource Mitarbeiter umzugehen? Und wie schaffe ich es zu verhindern, das meine Kinder, einen solch elenden Weg gehen müssen?

Zum Schluß eine Bitte, bevor einer von euch eine Verkäuferin im Supermarkt, Drogerie oder Kaufhaus fertig macht, denkt bitte daran, sie ist auch nur ein Opfer eines schlechten Systems. Und wer weiter denken kann, sollte sich  an der gedanklichen Auseinandersetzung beteiligen, welche politischen Rahmenbedingungen wir schaffen müssen, damit das Elend ein Ende hat.

Schleckerfrauen von Jenny Smidt erschienen 2014

 

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Jazzie ist mein Nickname als Jazzmusiker. COLOZINE Magazin ist mein Blog. Beruflich bin ich Inhaber einer Internetagentur in Köln und Ostfriesland. Hier fröne ich meinen Hobbys. Ich liebe Smooth Jazz und die USA Jazz Musik Szene. Als Jazz Fan sehe ich Harmonie, nicht nur in der Musik, als unser allerhöchstes Gut an. Jazz-, Pop-, Hardrock- und Bluesmusik hat die Welt verändert und ist für mich unverzichtbar. Grund genug, durch die Welt zu surfen und Ausschau nach guten Music Acts und Musikern zu halten. Ich bin Fan des 1. FC Köln. Weitere Faibles gelten dem Motorsport, Tennis und Motorrad fahren. Ich bin ein Honda Freak und lasse mir gerne den Wind um die Nase wehen. Inzwischen habe ich meinen Lebensort an die Nordsee in Ostfriesland verlagert, weil ich mein Herz an ein Denkmal von Anno 1746 verloren habe. Bei Fragen oder Fehlangaben auf den Colozine Köln News Seiten hier die Kontaktmöglichkeit Jazzie (Reinhold Packeisen) oder Mail an info@koeln-news.com :-) Tel.+49 170 90 08 08 74