Köln- Ein Billie-Holiday-Tribute zu besuchen, bedeutet, dass man einige der besten Jazzsongs zu hören bekommt, die jemals geschrieben wurden. Enttäuscht könnte man trotzdem sein, wenn diese Songs schal, uninspiriert – also angesichts des hohen Anspruchs unbefriedigend interpretiert werden.
Nach der jungen, deutschen Charlotte Illinger und ihrem Konzert im Alten Pfandhaus (Mai 2018) ist Elina Duni die zweite Jazzsängerin zu deren Entdeckung ich mich nur beglückwünschen kann. Gemeinsam mit ihrem ausgezeichneten Pianisten Jean-Paul Brodbeck war ihr Billie-Holiday-Tribut eine Offenbarung.
Trotz der großen Bekanntheit dieser Jazzklassiker war bei allen Interpretationen die Qualität eines künstlerischen Alleinstellungsmerkmals gegenwärtig. Das lag vorrangig an der außergewöhnlichen Stimme Elina Dunis. Sie verfügt über eine durchgehend warme, aparte Klangfarbe im mittleren Register. Sowohl in tieferen wie auch in hohen Noten besticht sie mit faszinierender Klarheit. Eine lupenreine Intonation und sublimste Phrasierungen lassen immer eine Sängerin erkennen, die völlig souverän und erfahren auch schwierigste Kompositionen meistert.
Dabei ist sie weit entfernt von jeder Form einer Routine. Schon der erste Song „Solitude“ zeigt eine tiefe Beseeltheit, mit der Elina diesen „Erinnerungs- und Verzweifelungssong“ von 1934 geradezu entrückt verinnerlicht und gestaltet. Nicht einfach, mit einem derart tieftraurigem Stück ein Konzert zu beginnen. Im voll besetztem Pfandhaus wagte man kaum zu atmen, um die berührende Intimität dieser Vorstellung nicht zu stören.
Im Verlaufe des Konzerts zeigte die Künstlerin allerdings auch, wie sie in rhythmischen Songs wie „Lover Come Back To Me“ oder dem Cole-Porter-Song „Just One Of Those Things“ mit energisch-kraftvollem Einsatz glänzen konnte. Höhepunkt war hier „Willow Weep For Me“. Ihr einziger musikalischer Begleiter, Pianist Jean-Paul Brodbeck brillierte schon eingangs zu diesem Titel mit einem langen, höchst virtuosem Intro. In diesem Song, der über circa sieben Minuten spielte, und gewöhnlich langsamer intoniert wird, lief Elina Duni zur jazzigen Hochform auf und scattete sich sogar durch lange Passagen. Ihr Pianist eiferte ihr ebenbürtig nach und zu seinem Solo gab es tänzerische Einlagen der Sängerin.
Nachhaltige und intensive Jazz Balladen
Aber trotz dieser überzeugenden, temperamentvollen Perfomance wirken die Jazzballaden des Duos doch nachhaltiger und intensiver. Auch technisch gesehen konnte Elina hier viel beeindruckender ihre vokalen Fähigkeiten übermitteln. Die albanisch-schweizerische Jazzsängerin – 1981 in Tirana geboren – studierte klassisches Klavier, Jazzgsang und -Komposition.
Elina Duni veröffentlicht seit über zehn Jahren Alben, in denen sie albanische Volkslieder, Eigenkompositionen und traditionelles Liedgut rund um den Balkan mit Stilelementen des Jazz verbindet. Seit 2012 ist sie mit ihren Alben „Matanë Malit“ (Beyond the Mountain) „Dallëndyshe“ und „Partir“beim renommierten Label ECM von Manfred Eicher vertreten.
Es sind immer wieder die Jazzballaden, die auf musikalisch ungewöhnliche und sehr reizvolle Weise zeigen, wie die Interpretin folkloristische, eher jazz-untypische Klanglinien überraschend in die Jazzstandards einbaut und weiter improvisiert. Auch dies macht ihre Interpretationen bekannter Kompositionen so unvergleichbar und herausragend.
Ein interessanter Aspekt am Rande: Einen Song der mich vielleicht am stärksten in diesem Konzert bewegte, hatte Billie Holiday niemals gesungen.“All The Sad Young Men“.
Elina Dune sagte dies vorher und auch, dass sie den Song durch die Interpretation von Ricky Lee Jones (vom Album Pop Pop 1991) kennenlernte. Ich hätte eher auf die unübertreffliche Version von Anita O‘ Day von 1962 mit dem Gary McFarland Orchestra. hingewiesen… Auch Roberta Flack sang diesen Song beeindruckender als Ricky Lee Jones, deren beständig unangenehm kicksende Stimme wie ein reichlich aufgesetztes Stilmittel wirkt und sich aufdringlich durch ihr gesamtes Album „POP POP“ zieht.
„Tribut to Billie Holiday“ wird in guter Erinnerung bleiben
Bei Elina Duni und Jean-Paul Brodbeck wurde diese betörend melacholische Ballade zu einem sublimen Kunstwerk. Hier enstand mit „All The Sad Young Men“ wahres, inniges Musizieren, welches zu Tränen rührte. Wie sehr Elina Duni auch körpersprachlich mit jeder ihrer Performance verbunden ist, verdeutlichte sich beim Betrachten ihrer rechten Hand, welche mit empfindsamen Gesten gleichsam linear Inhalte und Gefühle eines jeden Songs versinnbildlicht.
Keineswegs war es so, dass wegen der vielen, immer grandios gesungenen Jazz-Balladen Eintönigkeit entstand. Da gab es die Traurigkeit von „Good Morning Heartache“ oder „Gloomy Sunday“, mit dessen Interpretation Elina ausdrucksmäßig Billie Holiday am nächsten war.
Sie sang sweet-bitter „I’ll Be Seeing You“, und auch die versöhnende, zuversichliche Ballade wie „Here’s To Life“. Schließlich auch Songs wie „My Man“ und „You’ve Change“, in denen Elina Duni hochdramatische Aspekte in der vokalen Gestaltung absolut gelangen.
Jean-Paul Brodbeck trug mit seiner Pianobegleitung, seinen vitalen Soli und innovativen Intros zu den Songs dazu bei, dieses beachtliche, wunderbare „Tribut to Billie Holiday“ in guter Erinnerung zu behalten.