Köln- José James Konzert im Düsseldorfer Stahlwerk am 17. Juli 2016. Der Titel seiner Preview-Album-Tour „Love In The Time Of Madness“ hatte zum Zeitpunkt seines Düsseldorfer Konzerts eine Aktualität, auf die man gerne verzichtet hätte. Der gerade gescheiterte Militärputsch in der Türkei kostete über 250 Menschen das Leben. Und nur einige Stunden vorher richtete ein Tunesier in Nizza ein Blutbad an, indem er mit seinem LKW 84 Menschen tötete, und über 200 schwer verletzte. Noch während ich an dieser Konzertrezension schreibe, erfahre ich, dass ein 17jähriger Afghane in einem Regionalzug bei Würzburg Fahrgäste mit Axt und Messer angegriffen hat. Mehrere Menschen schweben in Lebensgefahr. Der Täter wurde auf der Flucht erschossen.
Sicher waren oder sind die Zeiten immer irgendwie „madness“, wenn man den Fokus auf Verbrechen richtet – aber in den letzten Monaten (auch im Hinblick auf die USA und dem alltäglichen Rassismus mit den daraus resultierenden Verbrechen aller Seiten) scheint der Gewaltpegel des „Madness-Fasses“ überzulaufen.
Mit neuen Songs wie „ No Justice, No Peace“ oder „Police State (Dead Prez)“ zeigte sich José James im Düsseldorfer Konzert deutlich politisch engagiert. Besonders „Police State“ zielt mit eher offensiv anklagendem Rap auf die anhaltende Ungerechtigkeit und Brutalität der Polizei in einigen US-Staaten sowie einem schon systematisch scheinendem Rassismus mit gewollten Angriffen auf Farbige. Rhythmisch groovend wiederholt José in harten, Rapsalven „….can you relate we living in a holy state, can you relate we living in a police state…in a police… a police.. a police state.“ .
Wie wichtig José James sein politisches Anliegen ist, erkennt man an seinem Video-Clip: „Peace Power Change“, welchen er bereits im Januar 2015 präsentierte, (auch bei you Tube). Auch für Populist Trump hatte José James im Konzert deutliche, keineswegs freundliche Worte.
In anderen Songs zeigt José James später, wie innovativ er typischen, musikalisch gleichförmigen Rap hochinteressant weiterentwickelt, indem er Worte und Silben in immer kürzeren Abständen minutenlang wiederholt, sie teilt, viertelt, achtelt – und schließlich bis zur Unkenntlichkeit staccatomässig schreddert und derart ein bizarres, eruptives Klangbild entstehen lässt. Das wirkt in seiner gesamten Gestaltungsintensität und dem raffiniertem Timing unvergleichlich. Dazu bewegt sich José nicht eher plump wie der machohafte Rapper, sondern ungemein musikalisch und geschmeidig. Seine rechte Hand scheint dabei unablässig seine vokalen Kaskaden gezielt zu dirigieren.
Aber nicht nur „madness“ oder Gewalt umtreibt den Künstler in den neuen Songs – auch von „love“ und der Hoffnung auf Harmonie und Besserung der Lebensumstände ist bei diesem Albumpreview die Rede. „Die Songs „Let It Fall“ oder „I’m Yours“ sind melodisch gehaltene Balladen und bringen die samtige, niemals nur glatte Schönheit seiner Stimme in den Vordergrund. Teilweise singen seine drei Musiker bei diesen Songs mit und besonders „I’m Yours“ erreicht hier die Qualität einer wunderschönen Hymne.
Natürlich gab es auch Songs von früheren Alben, wie das fantastisch funkige „Trouble“ (2012). Wirklich sensationell aber war seine schon exzessive Hommage an Bill Withers mit den Songs “Aint No Sunshine“ und Grandma’s Hands“. Geschätzte 20 Minuten fesselte José James das Publikum im Düsseldorfer Stahlwerk mit diesen Soulklassikern und seiner unwiderstehlichen, sowohl sublimen wie auch elektrisierend souliger Gesangskunst.
Als ich diese lange Performance genoss, erinnerte ich mich an die Eindrücke meines ersten José-James-Konzerts im Kölner „Luxor“, 2010. Meiner euphorischen Konzertrezension gab ich damals den Titel: „Erneuerer des Jazzgesangs“. Sein Debütalbum „The Dreamer“ welches das Critic Poll des US-Jazz Times Magazin zu den 21besten Jazzalben von 2008 wählte, hatte mich nachhaltig begeistert. José James wurde dann auch bereits mit diesem ersten Album für mich die größte Entdeckung im Vokaljazz-Bereich!
Ein „Erneuerer des Jazzgesangs“ ist er für mich auch noch heute. Sein Konzert im Düsseldorfer „Stahlhof“ bewies einerseits, dass José James wirklich „Jazz“ kann. Für Jazzpuristen besonders auch zu hören auf seiner Billie-Holiday-Hommage-CD: „Yesterday I Had The Blues“,2015 und bei seinem Liveprojekt: „Facing East: The Music Of John Coltrane“
Aber darüber hinaus faszinierte José James in diesem Konzert immer intensiver, indem er in bestürzender Weise R&B, Soul, Jazz, Hip Hop, Pop, und inzwischen auch Rap vereinte. Scheinbar anstrengungslos schaffte José James wie selbstverständlich eine höchst innovative Symbiose musikalisch differierender Genres.
Sein Album „Love In The Time Of Madness“ soll im nächsten Frühjahr erscheinen.
José James persönliche Botschaft lautet:“
„Es gibt einen Krieg in Amerika und in der Welt. Ein Krieg gegen die Armen, gegen Menschen anderer Hautfarbe; gegen Frauen, Einwanderer und unschuldige Kinder. Stimmen werden zum Schweigen gebracht, Familien auseinander gebrochen. Träume werden zerschmettert, und das Blut wird in den Straßen verschüttet. Die Brutalität der Polizei ist auf dem Vormarsch und die Menschenrechte und die Würde die für alle Menschen gelten sollte ist für schwarze Menschen nicht existent. Doch zur gleichen Zeit erleben wir einen außergewöhnlichen neuen Moment des sozialen Protestes, der digitalen Kommunikation und Dokumentation von Brutalität. Wir haben eine neue Ära des globalen Zusammenhangs begonnen, und einen möglichen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Verständnis. In diesem Moment muss eine neue Generation die Frage stellen: Was ist der Wert des menschlichen Lebens? Und von welchem Wert ist Liebe? “
Ein Song des neuen Albums hieß: Live Your Fantasy“. In seinem Funk und Groove erinnerte er an den Song „Trouble“; denn er hat die gleiche magische Anziehung
Hoffen wir, dass sich schöne, bessere, allgemein lebenswerte Aspekte unser aller Zusammensein nicht nur in der Fantasie abspielen, sonders das „love“ vor „madness“ auch im realen Leben komme möge.