Köln- I“™ll See You In My Dreams CD aus Juni 2009.
Fern und fremd der „Popwelt“ ist Esther Ofarim nach ihren Jahren mit Abi Ofarim und den außerordentlichen Hit- und Chart-Erfolgen in den Sechzigern, heute mehr denn je eine Künstlerin für Kenner und Liebhaber schöner Gesangsstimmen. Sie zeigt etwas, was heute kaum eine Sängerin innerhalb von Pop, Folklore, Weltmusik, Jazz sowie Schlager macht oder kann: Jede Note wird von ihr wie kostbarstes Kleinod behandelt. Sparsamst umgehend mit dramatischen Akzenten oder gar Effekten, bleibt ihr Gesang klangschön, nuancenreich, und oft von fast ätherischer Klarheit. Man kann durchaus sagen: Esther Ofarim hat Gesang und stimmliche Brillanz zu einer sublimen Kunstform erhoben, und so ihre eigene Liga erschaffen.
Nach ( leider) langjähriger Konzert- und CD-Abstinenz ist sie seit einigen Jahren wieder auf Konzerten zu bewundern. Ältere und sehr zu empfehlende Solo-Alben von Esther sind jetzt erstmalig auf CD erschienen. Zu ihrem Comeback kann man sie nur beglückwünschen „“ zudem Presse und Konzertbesucher jubeln. „Back On Stage“ ( Live CD von 2006 )war ihr erstes Album seit ca. fünfzehn Jahren. Nun erschien ein neues Live-Album mit anderem Repertoire und ohne großes Orchester. In der kleinen Begleitung von Piano, Gitarre, Violine und Bass scheint sich Esther Ofarims Stimme auf „I“™ll See You In My Dreams“ in aller Schönheit viel prägnanter zu entfalten. Yoni Rechter, ihr Arrangeur und Pianist, ist dabei der ideale musikalische Partner. Die beiden arbeiten seid 1977 zusammen und sind fantastisch aufeinander abgestimmt.
Auch wenn Esther Ofarim sich innerhalb ihrer bald 50jährigen Karriere eines überschaubaren Repertoires bedient, so ist dieses doch von einer großen stilistischen Vielfalt. Auf dieser CD singt sie Kompositionen von Leonard Cohen, Kurt Weill, Lennon/McCarthney, Rodgers & Hammerstein „“ neben rein folkloristischen Songs aus Irland oder Israel. Viele neue Lieder sind in den letzten Jahren nicht dazu gekommen.
Zum ersten Male allerdings interpretiert sie auf dieser CD das berühmte „Halleluja“ von Leonard Cohen, und überrascht mit teils unerwartet kräftigen Tönen. Pianist Yoni Rechter trägt hier auch gesanglich mit bei. In der irischen Ballade „My Lagan Love“ zeigt sich die große Kunst von Esther Ofarim: mit unsentimentaler Zartheit, Virtuosität und vorsichtigem Pathos erreicht ihr Vortrag Belcanto-Qualität.
Noch immer ist ihre Stimme trotz fortgeschrittenen Alters, (in nur zwei Jahren wird sie Siebzig!) von seltener Schönheit und Klarheit.
Diese kommt in der schlichten Gestaltung von McCartneys „Yesterday“ oder auch Heinrich Heines „Kinderspiele“ sehr gut zum Ausdruck.
Ihr glasklarer Gesang beim mittelalterlichen „The Willow Song“ von 1583 (Text: William Shakespeare) lässt den Gedanken aufkommen, dass ihre Stimme auch wunderbar Madrigale singen könnte.
Nostalgisch klingt der Titelsong „I“™ll See You in My Dream“. Ihre Stimme ist federleicht, jung und sehr hoch. Das schwungvolle Arrangement mit dem Piano und einem Violinensolo erinnert an die zwanziger Jahre
Was Esther Ofarims Brecht/Weill-Interpretionen betrifft, so hat sie da natürlich viel Konkurrenz, und einige namhafte Künstler sind ihr da in Ausdruck und der nötigen Derbheit oder Härte überlegen. Sie singt die zwei Brecht/Weill-Songs auf ihre, relativ distanzierte Weise, und vielleicht nicht so sehr im Sinne von Komponist und Texter. Das ist nicht unbedingt die Musik, die Esther Ofarim so absolut meisterhaft interpretieren kann, wie einen Leonard Cohen Song( z.b. Bird On A Wire, Suzanne) oder israelische Lieder. Das gilt auch für einen Musicalsong wie „I Have Dreamed“. Hier vermisst man doch etwas das ganz große Ausholen, die Emotion und den überwältigenden, hochdramatischen Stimmeinsatz einer Garland, Streisand, Minnelli oder auch Shirley Bassey.
Es gibt jedoch eine andere, wertvolle Seite ihres Gesangs. Hochartifiziell, dabei fragil und bisweilen mit einem Hauch von Manieriertheit kann Esther Ofarim sich einer Melodie leise hingeben und sie so auf ihre unverwechselbare, ganz erstaunliche Weise veredeln. Ein beeinruckendes Beispiel dafür ist das traurige Liebeslied „Adio Querida“. Ihr gelingt ein gedämpftes Drama und gleichzeitig auch ein betörend schönes Lied.
Auf diesem neuen Album klingt Esther Ofarim überzeugender und selbstbewusster, so „“ als hätte sie sich während der letzten Konzerte wieder „richtig eingesungen“. „I“™ll See You In My Dreams“ verfestigt ihr Comeback. Nach diesem kammermusikartigen Konzertalbum wäre die Zeit reif für ein neues Studioalbum mit einem ganz neuen Repertoire. Ein persönlicher Traum für mich wäre ein Album mit ausschließlich Leonard-Cohen-Liedern. Ihre bisherigen Aufnahmen von Cohen-Songs gehören mit zum Schönsten und Besten, was sie gemacht hat.
Eine Sängerin im wahrsten, und vielleicht auch in einem etwas „altmodischen Sinne“ des Wortes ist diese israelische Künstlerin Ofarim. Für sie existieren noch musikalische Gesetze – sie erlaubt sich keine sängerischen Schludrigkeiten die bei andern Sängern von Kritikern nur zu gerne als Eigenständigkeit oder gar Authentizität erklärt werden. Es wäre ihr auch zu wünschen, dass sich mal jüngere Hörer ihrer Gesangskunst zuwenden würden – denn eine stimmliche Qualität wie sie Esther Ofarim aufweist, kann man unter den heutigen populären Künstlern suchen wie eine Stecknadel im Heuhaufen…..
In einem Interview sagte sie mal: „Wenn man beim Singen nicht fliegen kann, ist das nicht Singen. Man muß sich vom Atem tragen lassen. Jetzt weiß ich, dass Singen ein unverzichtbarer Teil meines Lebens ist, so wie Fliegen für einen Vogel. Wenn ich singe, bin ich in meinem Element. Musikmachen ist vielleicht die höchste Form des Menschseins“
Dieser persönliche Ausspruch vermittelt sicherlich die Ernsthaftigkeit und die Intensität, mit der sie für ihre Kunst lebt. Esther Ofarims Gesang ist wie eine kostbare Blume, die im Verborgenen blüht. Wenn man sie aufspürt, ist der Zauber und die Freude besonders groß und dauerhaft.