Dianne Reeves in der Kölner Philharmonie, 22. November 2008
Vor zwei Jahren erlebte ich Dianne Reeves zum ersten Male live – ebenfalls in der Kölner Philharmonie. Ein passend imposanter Raum für eine der imposantesten Stimmen des Jazz. Unter dem Titel „String Attached“ wurde sie damals sparsamst während des ganzen Abends nur von zwei Gitarristen begleitet. Der intime Charakter des Konzertes, die überwiegend ruhigen Stücke und die zarten Töne der Reeves erscheinen mir in der Erinnerung wie eine akustisch-versponnene Fata Morgana.
Das jetzige Konzert war die kongeniale Summe, oder die Essenz von ALLEM, was Dianne Reeves Kunst einzigartig macht. Begleitet wurde sie diesmal von vier Musikern, die mit jedem Musikstück gut disponiert ihre Könnerschaft und Souveränität bewiesen: (Peter Martin p/ Peter Sprague git / Darryl Hall b / Gregory Hutchinson dr )
Dianne entspricht rein äußerlich dem Bild einer attraktiven, etwas gewichtigen Diva. Aber ihre Ausstrahlung ist überhaupt nicht divenhaft oder distanziert, sondern warm, liebenswürdig, und sogar ein wenig mädchenhaft. Bereits seit vielen Jahren hat Dianne Reeves ihren künstlerischen Zenit erreicht. Mit ihren Liveauftritten scheint sie indes ihre Kunst noch stetig zu vervollkommnen. Es kann auch sein, dass sie diesen Eindruck erweckt, weil man nur sehr, sehr selten eine so überzeugende Mischung aller Facetten des Vocal-Jazz erleben kann. Ihr aktuelles Repertoire gestaltete Dianne Reeves sängerisch und genremäßig schillernd vielseitig:
Sie sang Jazzballaden, Blues, Pop & Latin, Lovesongs, und auch a capella. Einer der vielen Höhepunkte war sicher, als sie einen Song durch ihre stürmische Interpretation zum Gospel machte. Sie stellte Songs ihres neuesten Albums „When We Know“ (2008) vor, die hier in der Philharmonie ohne den Begleitungspomp von Streichern und gefälligen Arrangements viel intensiver wirkten und einfach von großer Schönheit waren. Und mit einem „a capella“ Stück tauchte sie in fast opernhafte Dimensionen:
Ihr Tonumfang, ihr Stimm- und Klangspektrum schien unbegrenzt: von kräftigen Alt-Noten über volle warme Töne der Mittellage, gelangte sie ohne Anstrengung bis zur reinsten Höhe. Glasklare Spitzen““ oder Pfeiftöne erreichten bisweilen die exzentrischsten Yma Sumac Noten ! ( Peruanische Sängerin, die einen Tonumfang bis zu sechs Oktaven hatte ! 1922 „“ 2008) Bei Dianne Reeves wirkten solche Extremnoten jedoch nicht “ kurios“, sondern sie rundeten eine traumhafte Vorstellung nur perfekt ab.
Reeves erzählte natürlich von den Dreharbeiten mit George Clooney zum Film „Good Night, Good Luck“, dessen Soundtrack 15 Songs von ihr enthält und mit einem Grammy ausgezeichnet wurde. Hieraus sang sie ein fulminant bluesiges „One For my Baby“, welches mit wildbegeistertem Beifall aufgenommen wurde. Wenn man das gehört hat, weiß man, was „Volumen“ bedeuten kann, und wie groß der Unterschied zum Klang einer CD ist, auf der die gleiche voluminöse Stimme aufgenommen ist. Jetzt, nachdem ich die gewaltige Stimme der Reeves in Hochform erlebte, wird mir ihre Stimme von CD gehört, wie in einer „Dose gefangen“ vorkommen.
Jeder Song zeigte außerdem, dass Dianne Reeves ihre afrikanischen Wurzeln, mögen sie auch zig Generationen alt sein, nicht verleugnen kann. Immer wieder verwendet oder improvisiert sie musikalische Versatzstücke, die dem Musikverständnis des afrikanischen Kontinents entnommen sind. Diese Noten, diese „musischen Seelenverwandtschaften“ phrasiert sie selbst in Popsongs wie „Lovin“™ You“. Nicht zuletzt erreicht sie auch hiermit eine stringente Authentizität und Unverwechselbarkeit.
Erst kurz vor Ende des Konzertes stellte Dianne Reeves singend – und mit großer Dynamik – nacheinander ihre vier Musiker vor. Daraus machte sie ein weiteres, improvisiertes Glanzstück des Abends. Nachdem sie die Geburtsdaten des Künstlers nannte, der gerade an der Reihe war, rief sie in die Halle mit erbebender Lautstärke: „Ladies and Gentlemen, clap your hands, this is Peter Martin“, usw. Dabei gestaltete sie jede dieser singenden Vorstellung musikalisch anders und mit großer Spannung und Humor.
Abschließend brachte sie als letzte Zugabe „That“™s All“ und machte daraus einen hochexplosiven Scat-Marathon. Das hatte Tour-de-force- Qualität und Ella Fitzgerald, die absolute Kaiserin des Scatgesangs, wäre ebenso begeistert gewesen, wie das Publikum mit seinen anhaltenden „Standing Ovations“! Dianne Reeves legte das Mikro nun beiseite, scattete aber munter ohne Mikro weiter, und verlies so immer weiter singend langsam die Bühne….Der obligatorische Blumenstrauß kam dann, als sie erneut herausgeklatscht wurde.
Dianne Reeves war in diesem Konzert so gut wie die besten, kassischen Jazzsängerinnen aller Zeiten zu ihren besten Zeiten! Was immer die Besucher am meisten beeindruckte, bleibt sicher individuell verschieden. Das komplette Konzert war auch eine Feier des Vocal-Jazz. Kein Computer der Welt könnte Dianne Reeves fantastisches Timing, ihre lupenreine Intonation, ihren Variationsreichtum und dazu die über allem stehende Schönheit und Wärme ihrer Stimme so steuern, wie es ihr „einfach so gelingt!“ Ich halte sie für die größte lebende Jazzsängerin „“ die „Callas of Jazz“