Köln – Es gibt Tage wie heute, da lese ich einen Tweet und für einen Moment stockt der Atem. Schon ist der Finger gezückt für die Antwort auf das, was die „Queen von Bonn“ da heute morgen schrieb:
He Alter dachte ich. Eigentlich hätte ich ja auch von selbst drauf kommen können, woher diese ganzen „hate speeches“ im Netz wohl kommen. Also zuerst einmal gab es dafür einen Like für die Queen und ein 😂.
Aber es blieb in meinem Hinterkopf haften. Sorge ich für Frust im Netz. Nicht wirklich. Klar meckere ich schon mal, aber Frust habe ich ja gar keinen. Wen auch immer Sie meint, aber etwas wahres muss dran sein, denn es gibt viele Menschen die sich darüber aufregen.
Und jetzt haltet Euch fest, ich fahre zum Reifendiensttermin und weil ich über eine Stunde Wartezeit habe, sitze ich vor der Tür und gucke auf mein Handy. Was auch sonst? Und der nächste von Euch in meiner Twitter Timeline, teilt einen 3Sat Tweet, der mich mit dem gleichen Thema erneut konfrontiert. Die Sinne sind geschärft und, es kommen alte Männer im Netz darin vor.
Die empörte Republik
So lautet der Titel. Ich lese: Jakob Augstein ermittelt in einer ZDF Dokumentation über: Wo entstehen die Debatten von heute? Wer sind die Vordenker und Meinungsführer?
Ich hatte im ZDF den Trailer schon drei Tage vorher gesehen, aber ich mag den Typen nicht so richtig. Doch was soll es, jetzt gerade hatte ich Zeit und schon läuft der 3Sat Stream.
Das ZDF schreibt in der Vorankündigung: „Um Antworten auf diese Fragen zu finden, begibt sich der Verleger und Journalist Jakob Augstein auf eine filmessayistische Reise durch die Republik. Er begegnet dabei Publizisten alter Schule, wie Stefan Aust und Jan Fleischhauer. Sie kennen die Zeit der alten Debatten noch, in der einige wenige die Diskursherrschaft innehatten.
Spiegel-Chefredakteur Aust Zitat aus dem TV Beitrag :
„Es ist zweifellos der Fall, dass die Debatten früher eleganter geführt wurden als heute. Das ist ja auch der Nachteil der Demokratie. Jeder Idiot darf wählen und jeder Idiot darf im Zweifel auch gewählt werden. Warum sollte dann nicht auch jeder Idiot im Internet seine Meinung veröffentlichen dürfen?“
Und jetzt wird Euch liebe Leser klar, warum gerade ich, mir dieses Werk dann rein gezogen habe. Hätte Herr Augstein, diesen Beitrag in Schriftform in die Welt gebracht, können wir davon ausgehen, das wäre nichts gewesen was man in der heutigen Zeit, noch zu Ende lesen will. Ich hätte es auch nie erfahren. Eine ZDF TV Doku dagegen. Kann man machen.
Sie war nur 34 Minuten lang, das reicht dann auch schon. Nichts wichtiges passiert. Wer es sehen möchte, schafft das auch neben der Arbeit, auf einer Arschbacke. Im übrigen braucht man gar nicht gucken, sondern einfach nur den Ton hören. Das TV Szenario kitzelt meine Emotionen nicht. Im Podcast Format hören reicht vollkommen.
Herr Augstein prangert an. Es fehlen Vordenker? Debatten? Debattenkultur. Er fragt unter anderem Julia Reda, warum sie nicht mit Rechten diskutiert. Er bekommt eine gute Antwort, die er aber nicht stehen lassen kann. Einem eingefügten Zwischenpart (hier wird er allein eingeblendet und sinniert vor sich hin) nutzt er, um ihr gesagtes zu hinterfragen.
Das ist wie bei Twitter. Deine Meinung gefällt mir nicht, also Block. Oder es folgen seitenweise Absätze mit Belehrungen (threads). Unter die dann, andere „Idioten“ (An. d.R) ihren Senf eintragen. Übrigens, Augstein hat Aust im Beitrag und auch danach gab es keinen Zwischenpart, nicht korrigiert. Hat die Idioten stehen lassen. Der Twitter Account von Herrn Augstein macht eigentlich auch nichts anderes als wir Privatleute und Blogger. Verteilen. Kurze Kommentare. Seine Bücher bewerben.
Zurück zur Doku. Ich bin nicht der Meinung, das der Videoblogger Rezo mit seinem Video die Wahlergebnisse manipuliert hat. Wer nach Debattenkultur fragt, wer „Hass Kommentare“ nicht mag, wer Vordenker sucht, oder sein will, der sollte zumindest eines tun – Sich aufrichten und gegen Hass und Beleidigung intervenieren.
In dem Gespräch mit Aust fiel das Wort: Idiot. In einem ReTweet in seinem Profil und auch in der Doku wird Jan Böhmermann von Herrn Fleischhauer als „Hofschranze des ZDF“ bezeichnet. s.u.
Und auch hier gibt es keine Korrektur. Keinen Widerstand. Herr Augstein, leider sehe ich sie, Herrn Fleischhauer und ein paar andere “ Vordenker“ als die smarten Mitbegründer des Systems. In einem Punkt folge ich ihnen und ihrer Doku sogar gerne voll und ganz:
Alte Männer sorgen für Frust im Netz!
Den Blick auf die Altersschiene habe ich mir schon vor drei Jahren gegönnt. Und logisch ist das so. Im Internet dominieren alte Männer. Ab wann ist eigentlich alt? Das blieb ungeklärt. Frage ich meinen Sohn, dann meint der ab 30 ist alt. OK.
Die alten Männer haben Zeit. Viel Zeit und einen PC. Und ein Handy. Sie haben sich mühsam in dieses Medium vorgearbeitet. Die Zeiten in denen ein 60 jähriger wie mein Vater 1990 vor der Kiste saß, auf den blauen Bildschirm schaute und sagte:“ Und, was will mir dein Computer jetzt sagen?, sind schon lange vorbei. Und so ist es auch vollkommen logisch, das die Alten Ihren Vorbildern nacheifern.
Ja ihr, ihr vermeintlichen Smooth Jazz Schreiberlinge und TV Darsteller. Ihr seid die Vorreiter. Alle alten Säcke, so wie ich, haben vor dem PC Zeitalter, Zeitung gelesen.Es gab ja nichts anderes. Und „Idiot“ ist ein Schimpfwort. Eine Beleidigung, auch wenn sie inflationär benutzt wird. Wo ist die Grenze? Wenn ich an den Künast Prozess denke und das ergangene Urteil in dieser Woche denke, könnte ich kotzen.
Eure Schlagzeilen und Texte im Spiegel, Focus, Stern,Bild und wie das ganze Dreckszeug alles heißt. Was ist denn damit? Ihr seid doch die Vorreiter der Grenzüberschreitungen in jeder Debatte. Wir haben erlebt wie ihr gelogen, zerstört und zerfetzt habt. Vornschnelle Urteile ohne Gerichte gefällt und Menschenleben zerstört habt. Das gedruckte Medium macht das heute noch.
Euch konnte nie einer an die Wäsche und selbst wenn der Gegenbeweis anstand, habt ihr ihn klein geredet. Oder mit Verspätung an einer Stelle veröffentlicht, den kein Mensch wahrgenommen hat. Ihr habt Euch aufgeführt wie Götter. So langsam braucht euch kaum noch einer. Nach Vordenkern sucht ihr?
Diese Menschen, die sie Herr Augstein für Kompetent genug halten, um ihnen Fragen zur Debattenkultur, Vordenker, Meinungsführung zu beantworten, sind aus meiner Sicht genau die, die für mich am wenigsten als derartige in Frage kommen. Und sie sind auch kein Vordenker, obwohl man den Eindruck gewinnt sie möchten gerne einer sein, denn sie tun nur so als wären sie auf der Suche, denn sonst hätten sie das Pferd ganz anders aufgezäumt. Ihr Beitrag ist leider mit zu viel Bestätigung von Vorurteilen gespickt. Sie verzichten auf Klarstellung. Sie stellen Vermutungen in den Raum und lassen diese durch weitere Personen bestätigen. Kann man so machen.
Aber wie sie in der Doku sagten Herr Augstein: „Diese Generation stirbt aus“
Derweil fällt mir ein, meine Generation,Ihre Generation, stirbt ebenso aus. Das ist amtlich.
Am Ende hätten sie vielleicht auch sagen können – die Debattenkultur ist mir wichtig. Ich mache mich auf den Weg zu einer neuen Dokumentation und versuche mit den Alten und Idioten ins Gespräch zu kommen, um zu prüfen, ob das wirklich alles Iditoten sind, und/oder, um vielleicht eine ganz neue Debatte an zu stoßen. Aber das werden sie nicht tun und so müssen sie halt die Quertreiber und Idioten noch eine Weile ertragen.
P.S. In Sachen Queen of Bonn…….Hallo Ihr alten Säcke an den Bildschirmen. Eines sollte wir auf jedem Fall unterlassen. Gespräche mit Hass führen und aus Frust andere Menschen belehren. Und ihr könnt auch den Sexismus, der unterschwellig in so manchen Kommentaren steht, einfach weglassen. Und Frauen mit Direktnachrichten und Bildern von eurem Gemächt zu bombardieren, auch das gehört sich einfach nicht. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Ein Tweet und ein Avatar, sagt nichts aus über den Menschen der dahinter steckt. Gar nichts. Und nur weil der Account im Netz ist, gibt es kein verbrieftes Recht, Kommentare darunter zu schreiben. Das ist ein Option bei Twitter,Instagramm oder Facebook und eine Funktion die man, wenn man sie benutzt, mit Respekt und Takt nutzt. Einfach. Wie im richtigen Leben.
Für sexistische Dinge gibt es gesonderte Portale auf denen ihr euch austoben könnt. Und wenn ihr Frust habt, was ich ja verstehen kann dann solltet ihr in euch gehen und euch fragen, ob das anderen Menschen nützt und hilft. Meinen Frust bearbeite ich selbst. Inline. Nicht Online. Da gehört er nicht hin. Ich war immer schon für Netiquette und das wird sich nicht ändern.
Wer es aber unbedingt los werden will, dem empfehle ich ein Blog. Ein Tagebuch. Da könnt ihr alles was euch frustriert täglich los werden. Und vielleicht findet ihr eine gesellige Gemeinschaft die genau daran Spaß hat. Dann könnt ihr euch dort in den Kommentaren ja gerne austauschen. Wie ich das hier mache. Wer Lust hat liest es. Wen es stört der macht die Seite zu und suft einfach weiter. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Hier geht es zur Dokumentation 3Sat Mediathek
Weiter unten gibt es einen weiteren Text zur 3satKulturdoku-Reihe „Deutsche Debatten“
Was die Republik bewegte: Fünfteilige 3satKulturdoku-Reihe „Deutsche Debatten“
In diesem Jahr feiert Deutschland 70 Jahre Grundgesetz und 30 Jahre Mauerfall. Die beiden Jubiläen lenken den Blick auf die bewegte Geschichte Deutschlands von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Welche Fragestellungen haben Deutschland bewegt? Welche Themen führten zu Diskussionen und Unruhen – und durch wen wurden diese Diskussionen angestoßen? Auf diese Debatten blicken fünf 3satKulturdokus aus unterschiedlichen Perspektiven. Die fünfteilige 3satKulturdoku-Reihe „Deutsche Debatten“ zeigt 3sat ab Samstag, 31. August 2019, jeweils um 19.20 Uhr in Erstausstrahlung.
In der letzten Folge, „Generationen-Wende. Neue Geschichten aus Ostdeutschland“, am Samstag, 28. September 2019, 19.20 Uhr, untersuchen Sabine Jainski und Illona Kalmbach, wie „vereint“ die Deutschen 30 Jahre nach dem Mauerfall sind. Wie hat sich die Wiedervereinigung vor allem in den neuen Bundesländern sozialpsychologisch ausgewirkt? Viele zeigen sich enttäuscht und wütend. Die Dokumentation richtet den Blick auch auf die Errungenschaften der DDR-Bürger und ihre Lebensleistungen, zu denen nicht zuletzt ihre friedliche Revolution und der Sturz des DDR-Regimes gehören. Menschen „wie Du und ich“, aber auch Autorinnen und Autoren, Filmemacherinnen und Filmemacher berichten von der langen Phase der Sprachlosigkeit und darüber, wie Ostgeschichten heute geschrieben und inszeniert werden können.