Reporter ohne Grenzen hat verhalten auf das heutige Urteil im Mordfall Politkowskaja reagiert. „Die zentrale Frage nach den Hintermännern der Tat bleibt weiterhin unbeantwortet“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. Reporter ohne Grenzen kritisierte den Verlauf des Verfahrens, in dem nach nur zwei Tagen das Urteil verkündet wurde, ohne dass das Gericht Zeugen vernommen oder Beweise geprüft hatte. Die Medien waren von den Verhandlungen weitgehend ausgeschlossen.
Ein Moskauer Gericht hatte am Freitagvormittag einen der Hauptverdächtigen im Prozess um den Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Der ehemalige Polizist Dmitri Pawljutschenkow muss zudem rund drei Millionen Rubel (ca. 75.000 Euro) an die Familie des Opfers zahlen. Pawljutschenkow hatte zugegeben, Politkowskaja überwacht und ihrem Mörder die Tatwaffe übergeben zu haben. Er wurde am 23. August 2011 festgenommen.
Die Angehörigen der ermordeten Journalistin kritisierten den Prozess bereits vor dem Urteil. Nach seinem Geständnis habe sich der Angeklagte mit den Behörden auf einen deutlichen Strafnachlass geeinigt – unter der Bedingung, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Demnach sollte sein Fall unabhängig vom Rest der Untersuchungen behandelt werden und Pawljutschenkow die Namen seiner Auftraggeber nennen. Diese sind jedoch bis heute nicht bekannt. Politkowskajas Kinder kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.
Dmitri Muratow, Herausgeber der regierungskritischen Zeitung Nowaja Gaseta, für die Politkowskaja geschrieben hatte, sagte gestern Abend, es sei in Russland ein „politisches Tabu“, nach den Auftraggebern der Tat zu fragen. „Nach sechs Jahren ist es an der Zeit, unbequeme Fragen zu stellen“, so Muratow.
Anna Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Sie hatte über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien berichtet und den russischen Präsidenten Putin dafür wiederholt scharf kritisiert.(Ots)
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