Köln – Ute Lemper CD: Between Yesterday and Tomorrow (erschienen Februar 2008 ) Nein „“ einfach sind sie nicht, die neuen Songs der Ute Lemper. Auch wenn da so manche oberflächliche Rezension ( z. B. Berliner „TIP“) im „Handumdrehen“ mit dem Album fertig wird, ihr eine „dünne Stimme“ (!) bescheinigt, und es sich auch sonst sehr einfach mit einer Beurteilung macht.
Denn offensichtlich hat man nicht sofort die richtige Schublade für diese Musik gefunden. So passiert“™s, wenn die Öhrchen fast nur noch für Mainstream und nette Harmlosigkeiten alá Katie Melua, Norah Jones, u.v.a., aufnahmebereit sind.
Denn massenkompatibel ist die neue CD des Weltstars aus deutschen Landen auf keinen Fall, auch wenn sie soundmäßig sehr zeitgenössisch vorgeht.
Zum ersten Male legt sie ein Album vor mit ausschließlich eigenen Kompositionen. Herausgekommen ist eine intelligente, aktuelle und immer lemperische Verschmelzung von Pop-Jazz-Chanson – welche in der Gesamtheit von zehn Songs ein kunstvolles Soundgemälde entstehen lässt. „Typisch lemperisch“ weil sie es sich mit vielen ihrer ungewöhnlichen Musikprojekten nie leicht gemacht hat, Freunde für ihre Musik zu gewinnen.
So wird es auch dieses ambitionierte Album schwer haben, einen größeren Hörerkreis zu erreichen, was schade ist. Die Stimme Lempers wird vordergründig nicht immer unbedingt von Schönheit getragen – in den Höhen oft etwas nasal, oder bei intensiverem Vortrag bekommen ihre Höhen einen keifenden Beiklang. Ihre Tiefen sind resonanzreich und warm. Aber immer ist Lempers Stimme unverwechselbar, eindringlich und in der Intonierung erfahren und perfekt. Sie will den Dingen auf den Grund gehen, es geht ihr mehr um die Subtanz. Inhalte sind ihr wichtiger als Schönklang der Stimme. Ein Metier, welches ihre große Kollegin Streisand ohnehin besser beherrscht.
Die Themenauswahl der CD mit dem beziehungsreichen Titel „Between Yesterday and Tomorrow“ ist ebenso vielschichtig wie ihre musikalische Umsetzung. Bei einem der beeinduckendsten Songs „Nomad“ geht es z. B. um Religion und den arabisch-israelischen Konflikt. Schräge arabische Streicher und dynamische Chöre sind eingebettet in einem wundervollen Kokon exotischen Instrumentariums. Musikalisch werden hier auf besonnene und kreative Weise Versatzstücke des Ethno-Sound ohne „Stampfrhythmus“ integriert. Ute Lemper endet den Song beschwörend in hebräischer Sprache.
Mit der Wahl des besonders popgewandigen „The Greatest Ride“ als ersten Song der CD, wollte man sicher gleich vorweg den neuen Sound des Albums deutlich vorgeben. Ein Mix von überlagerten Vokalstimmen markiert die Differenz zu früheren Alben der Lemper. Der Song ist aber im Vergleich zu den folgenden Titeln noch relativ einfach strukturiert.
In „Stranger Friend“ wandert ihre Stimme in sublimer Anspannung und mit starken Vorwärtsdrang durch die bluesig-soulige Melodie. Damit ist man schon mitten drin in der Pop-Jazz-Fusion.
Die lyrische Ballade „Blood and Feathers“ geht wieder mehr in Richtung modernes Chanson und ist sicher einer der eingängigsten Songs der CD. Die Melodie hat einen sehr prägnanten Refrain. Dafür aber ist die Zusammenstellung der Instrumentierung mit einem Bandonium (Akkordeon) farbenreich und ungewöhnlich kontemplativ.
Mit „Luna“ führt sie uns auf den Dancefloor, furios und komplex im Sound, mit satten Bläsersätzen. Schnell wechselt Lempers Stimme von dunkel nach hell. Dabei scheut sie nicht ( fast) hysterische Stimmeinsätze oder schrille Vibrati. Man fühlt sich im Sound und Drive sogar an Prince erinnert. Bei gehöriger Lautstärke ist der Song bestens zum tänzerischen „ausflippen“ geeignet!
„Ghosts of Berlin“ behandelt das Problem der Mauer. ( 28 Years of pain was long, 28 years of cold enough). Eine wundervoll komponierte Ballade mit schönen Harmonien. Atmosphärisch über sieben Minuten hinweg ist die versponnene Art des Songs vergleichbar mit den späteren Kompositionen von Kate Bush. Auch manche von Lempers hohen Noten bringen sie nicht nur in diesem Song in die Nähe dieser Außenseiterkünstlerin.
„Wings Of Desire“ ist ein gemäßigter Pop & Lovesong mit schönem Harmonicasolo.
Auf „Here is love“, ein Song, durchgehend versehen mit markantem Bass, intoniert Lemper betont jazzig, und das ist sehr interessant! Denn eine “ typische Jazzsängerin“ ist sie trotz gelegentlicher Ausflüge nicht. Aber sie phrasiert mit ihrem instinktiven Jazzfeeling vollkommen überzeugend. Besonders wie sie hier die hohen Noten aussingt, hat das unzweifelhaft jazzlastigen Charakter.
„Nevada“, ihr kritischer Beitrag zu Atomtests, besitzt ein raffiniert konstruiertes Arrangement und klingt speziell in den Passagen ihrer mehrfach überlagerten Stimme flirrend und abgehoben… um dann später mit ihrer reinen Stimme zu einer melancholischen Schönheit zurück zu kehren.
Bei „September Mourn“ geht es um den 11. September. Schlicht, unsentimental, schön und sperrig gleichzeitig. Gitarren und Streicher „“ wieder besticht ein behutsam durchdachtes, klischeefernes Arrangement. Eine sanfte Dramatik oder Eindringlichkeit erreicht Ute Lemper hier mit sehr hohen Melodiebögen, die sie mit ihrer klarer Stimme erlesen strahlen lässt.
Wie gesagt, „Mainstreamseligkeit“ ist dieses sensible CD-Kaleidoskop von kunstvoll verworrenen Tönen, überlagerten Farben und Klängen nicht mehr. Den Wert und das hohe Niveau dieser spannenden Produktion wird der Hörer nach und nach erfahren. Für Lemper ist dieses Album an dem sie zwei Jahre arbeitete, eines ihrer “ kostbarsten“ „“ sicher auch deshalb, weil es fraglos ihr persönlichstes ist. Ein excellent gestaltetes Booklet mit Fotos und allen Texten, war da eine Selbstverständlichkeit.
Ute Lemper gehört zu den „wahrhaftigen“ Künstlern, was nicht nur ihre Musikaufnahmen, sondern erst recht ihre Liveperformances beweisen. Hinter allem was sie macht, lodert eine Art „kreativer Wut“. Wegen soviel Engagement neigt sie hin und wieder zur „Übersteigerung“ oder „Übertriebenheit“, wobei das relativ gesehen werden kann. War es nicht Oscar Wilde, der sagte: Alle echte Kunst „an sich“ ist etwas Übertriebenes ! So gesehen macht es Ute Lemper richtig!
Ute Lemper eröffnet uns auf „Between Yesterday and Tomorrow“, auch mit ihren Texten eine beeindruckende, vielfältige Gedankenwelt. Diese neue CD bestätigt uns, was sie selbst in einem frühen Interview mal sagte: „Ich bin ein absolut zeitgenössischer Mensch, – ich habe zu allem überall eine Meinung und eine Position“
Und die ist ebenso wenig „einfach“ „“ wie ihre Musik, oder unsere Welt. Fünf Sterne für ein außerordentliches Album!