Vor sechs Jahren hat eine junge Band aus Gießen mit ihrem Debut-Album Es ist JULI und einem Song namens „Perfekte Welle“ vorgeführt, dass Pop hierzulande auch dann mehrheitsfähig ist, wenn er sich mehr erlaubt, als über einer Klangtapete aus Kirmestechno oder Baukasten-R&B wahlweise weibliche Rundungen respektive die ewige Liebe zu preisen.
Die Band nannte sich JULI und „Perfekte Welle“ war frischer, mitreißender Gitarrenpop, wie man ihn Deutschland bis dato eigentlich fast nur in den Indie-Diskos hören konnte „” und selbst dort in der Regel von britischen Bands. In den Top Ten der offiziellen deutschen Charts war diese Musik, noch dazu gesungen von einer Frau und mit deutschem Text, bis dahin jedenfalls eher eine Rarität. In diesem Fall allerdings eine, die Maßstäbe setzte.
2010 sind Eva Briegel (Gesang), Simon Triebel (Gitarre), Jonas Pfetzing (Gitarre), Dedi Herde (Bass) und Marcel Römer (Schlagzeug) zu einer Band gereift, die genau weiß, was sie will. Am 17.09.2010 kommt jetzt das neue Album. Es wird von vielen Juli Fans heiß erwartet.
Auf In Love klingt die Band neu, aufregend anders und doch as JULI as JULI can be. Der Sound mag elektronischer sein, die Texte mögen deutlicher und häufiger als zuvor in der Tradition des Chansons stehen, und doch glänzt bereits die erste Single „Elektrisches Gefühl“ mit allem, was einen klassischen JULI-Hit ausmacht: optimistischen Lyrics, bei denen das Licht vor allem deshalb so hell strahlt, weil es aus dem Schatten heraustritt, einer unwiderstehlichen Hookline und einem gnadenlos mitreißenden Refrain. Doch wo bisher in JULI-Songs gerne die Gitarren dominierten, wird dieser Song in erster Linie von seinem magischen perkussiven Beat getragen. Dass „Elektrisches Gefühl“ in Bälde die Tanzflächen sämtlicher Danceclubs, Großraumdiskotheken und Indie-Schuppen in bisher nie gekannter Eintracht zum Beben bringen wird, dürfte außer Frage stehen.
Doch selbst diese ausgesprochenen Dancetracks entbehren nie einer gewissen sehnsüchtigen Grundmelancholie. Am allerdeutlichsten wird das bei „Immer wenn es dunkel wird“.
In Love hat durchaus eine nachdenkliche Seite. Eine, die sich eben nicht ausschließlich auf die Balladen beschränkt, wenn sie dort auch besonders zum Tragen kommt. „Eisenherz“ etwa steht, was die Lyrics angeht, den berückenden tragischen Liebesliedern von Chansongrößen wie Alexandra oder der Knef in wenig nach. Selten wurden Drama, Pathos und Herzeleid in der deutschen Popmusik mit soviel Eleganz und Feingefühl inszeniert.
Wie sehr sich diese Band im Jahre 2010 von dem unbekümmerten Haufen Jungspunde unterscheidet, der sie vor sechs Jahren vermutlich noch gewesen ist, zeigt vor allem ein Song des Albums auf: „Jessica“ ist der herausragende Track auf In Love, und vermutlich nicht nur dort, sondern in der gesamten bisherigen, an Höhepunkten wahrlich nicht armen Historie dieser Band. Wie Eva Briegel mit den Worten eines halbseidenen Managers oder Produzenten von den schmierigen Schattenseiten des Popzirkus erzählt und dann zum Refrain die Perspektive wechselt, ist einerseits ganz große Storytelling-Kunst und stellt andererseits noch einmal fulminant heraus, worin die beeindruckendsten Qualitäten dieses Albums liegen: in seiner Ambivalenz, seinen Widersprüchen. Die inszenieren JULI, wie es im Moment keine andere deutsche Pop-Band zu tun vermag.