Köln- Daniel CacciaJohannes von Ballestrem, piano Eine Sinatra – Hommage und noch viel mehr ! Im Haus der Springmaus in Bonn am 14. Juni 2018. Das Sinatra- Jubiläumsjahr 2015 (am 12.12 2015 wäre er 100 Jahre geworden) liegt nun schon etwas zurück.
Konzerte ihm zu Ehren gab es haufenweise und vielleicht war die Hommage am 14. Juni im Rahmen des Bonner Schumannfestes und in Kooperation mit dem „Haus Der Springmaus“ nicht die letzte für diesen Jahrhundertkünstler.
Sinatra-Songs oder den typischen Sinatra-Sound verbindet man außer mit seiner unverwechselbaren Stimme automatisch auch mit großen Orchestern oder üppigen Bigband-Arrangements. Aber allein schon die Reduzierung auf Klavier und Stimme machte diese Hommage von Daniel Caccia und seinem Pianisten Johannes von Ballestrem zu etwas Besonderem und auch Gewagtem. Balladen mag man sich gut nur zur Pianobegleitung vorstellen, aber bei Songs wie „Come Fly With Me“, oder erst recht „New York, New York“ scheinen die großen, swingenden Orchester, die mit geballter Kraft die Akzente setzen, unersetzlich, ja zwingend.
Dass diese Songs aber auch ganz anders funktionieren können, bewiesen diese zwei Künstler, besonders natürlich Daniel Caccia, dessen Stimme den ganzen Abend über mit jedem Song im Fokus stand. Außer beim „a cappela“ Gesang kann man einen Vokalisten nicht „purer“ hören, als wenn er nur von einem Instrument begleitet wird. Das bedeutet aber auch, dass sogar schon minimale Intonationsschwächen oder Unsauberheiten im Stimmklang unweigerlich zu hören sind.
Sorgen dieser Art waren unnötig, das zeigten schon die ersten Songs. Als Sänger, den das US-Jazzmagazin „Downbeat“ bereits 2013 als „Young Jazz Vocalist of the Year“ auszeichnete, ist Daniel Caccia „mit allen Wassern“ gewaschen. So kann er sofort eine unbändige Lust am Singen vermitteln, erstaunt und erfreut zugleich damit: wie er mit seiner wandlungsfähigen, umfangreichen Stimme in allen Tonlagen sicher arbeitet, wie er erfindungsreich eine Komposition improvisiert, wie sich seine Phrasierungen rasant in manchmal nur einem Song vom bloßem Swing zu handfestem Jazz wandeln, um dann wieder zurückzukehren zum Stil der großen Broadway-Tunes – Daniel Caccia hat all diese musikalischen Varianten auf seiner Gesangspalette und meistert sie mit sängerischer Eleganz.
Um die zwanzig Songs plus Zugaben wurden in diesem Konzert im Bonner „Haus der Springmaus“ gespielt. Erfreulich, dass neben populären Sinatra-Klassikern wie I’ve Got You Under My Skin, „Cheek to Cheek“ oder „Strangers in the Night“ auch unbekanntere Song ausgewählt wurden, bei dessen Interpretationen man nicht augenblicklich an die Sinatra-Versionen dachte.
So waren es auch für mich eher diese Songs, die Daniel Caccia und sein wunderbarer Pianist Johannes von Ballestrem dank ihrer musikalischen Inspiration besonders künstlerisch erblühen ließen. Da gab es einmal „All Or Nothing At All“ , ein Titel, der von vielen Sängern, vornehmlich auch Jazz-Vokalisten meistens schnell swingend dargeboten wird. Daniel sang den Song langsamer, intonierte sogar leicht dramatische Akzente und dadurch bekamen die Lyriks eine tiefere Bedeutung.
Außerdem behandelt Caccia raffiniert sein Volumen, indem er mit der Lautstärke spannungsvoll variiert. Von „sehr laut“ zu unerwartet „sehr leise“ schafft er erstens eine akustische Klangveränderung, die den Hörer immer in Konzentration hält, und zweitens bekommen auch die Worte eines Songs so eine tiefere Bedeutung, indem er sie derart ausgesucht betont. Das alles passiert unangestrengt, einfach intuitiv durch seine große Musikalität.
Auch bei einer bekannten Ballade wie Gershwins „Embraceable You“ gibt es viele Zwischentöne: dunkle Noten voller samtener Wärme und dann wieder besonders kraftvolle, mit denen er brillant die großen Melodiebögen bedient, als stünde er auf einer Broadway-Bühne. Das ist stimmig, denn viele dieser Songs wurden ursprünglich für Musicals geschrieben, bevor sie Standards des „Great American Songbooks“ wurden.
Ein ganz andere Seite zeigen die zwei Künstler mit dem Cole-Porter-Song, und früher Sinatra-Interpretation von 1943: „You’d Be So Nice To Come Home To“. Total dem Swing & Jazz gewidmet, und sehr abseits vom „ nice & easy“ Sinatragesang liefert Daniel Caccia sich ab Mitte des Songs ein langes, stürmisches Scat-Solo in vertrackt-betörenden Klangfacetten. Er macht das hingebungsvoll „jazzig“ und erweist sich neben seinem musikalischem Erfindungsreichtum auch noch als Meister der rhythmischen Präzision.
Bei diesem Titel hatte auch Johannes von Ballestrem beste Gelegenheit, neben seinen inspirativen Ragtime-Anleihen (z.B. bei „Sweet Georgia Brown“) – oder seiner leichthändigen,virtuosen Verspieltheit, welche mich manchmal an das schnelle Spiel eines Erroll Garners erinnerte – modernere, jazzakzentuierte Klangperlen beizusteuern. Eine der Zugaben war übrigens „Moon River“. Hier zeigte Johannes von Ballestrem noch einmal ein andere Seite seines Könnens. Recht gegensätzlich zur eingängigen Melodie beeindruckte der Pianist hier in seinem Solo mit einer Mischung von modernem Jazzpiano und innig-mediativem Spiel voller exquisiter Tonschönheit.
Swingende Titel wie „Witchcraft“, „Pick Yourself Up“, „Come Fly With Me“, „It’s Allright With Me“ oder „Cheek to Cheek“ behielten die Oberhand und zeigten immer wieder die dynamische Flexibilität des Sängers. Wunderbar nuanciert intonierte Balladen waren „I’ve Got A Crush On You“ mit dem interessanten Intro, eine etwas kurz geratene Version von „ East Of The Sun/West Of The Moon“ , und das schon charismatisch gesungene „ I’ll be Seeing You“. „September In The Rain“ und „Tangerine“ waren wieder von wunderbar swingender Leichtigkeit.
In seiner optischen Performance hat Daniel seit ich ihn zuletzt im Franfurter Jazzkeller sah, viel dazugelernt. Er unterstreicht jetzt wirkungsvoll mit teils verschmitzter Mimik die humorvollen Songs und bewegt sich bei den Songs mit Musicalcharakter wie ein gelernter Entertainer. Bei gesanglichen Höhepunkten gerät sein ganzer Körper in Mitleidenschaft, bzw. Verzückung All das kommt locker und charmant rüber, auch die kleinen Überleitungen zu den Songs.
Als Daniel „Strangers In The Night“ sang, erfuhr man von ihm zuvor, wer der wirkliche Komponist war. Nein, es war nicht Bert Kämpfert, wie ich auf die Frage hin in den Saal rief. Komponiert wurde der Song vom kroatischen Sänger Ivo Robić (1923 – 2000) der mit „Morgen“ und einigen anderen Titeln in Deutschland von 1959 bis in die 70er Jahre große Erfolge hatte. Ivo Robić hatte „Strangers In The Night“ zu einem Wettbewerb eingereicht. Die Komposition wurde als zu schwach abgelehnt. Später hörte Kämpfert den Song, war sehr interessiert und machte Ivo Robić ein lukratives Angebot – so lukrativ, dass dieser die Komposition verkaufte. Daniel Caccia singt übrigens seine Kompositionen in reinen Jazzversionen , darunter auch das berühmte „Morgen“, auf dem Album von 2013 „Sings Ivo Robić“ mit Bigband. Kann man die Songs Probehören auf seiner Webseite. (http://danielcacija.com/music/ ), Im Bonner Konzert sang Daniel die erste Hälfte des Songs auf kroatisch.
Dem Titelsong zum Konzert „New York, New York“ – ohne Orchester präsentiert – wurde ein Kunststück an opulentem Intensivgesang und klugem, überraschungsvollem Arrangement abverlangt. Einige Tempiwechsel, Tonsprünge durch die Oktaven, sowie spielerische Jazzphrasierungen am Ende ließen den Orchesterbombast, der bei „New York, New York“unersetzlich scheint, vergessen. So gelang den Künstlern mit dieser ungewöhnlichen Version des unzählig oft gecoverten „New York, New York“ ein Song mit überzeugendem Alleinstellungsmerkmal.
So gesehen, bzw. gehört, ging das Konzert mit neu geschaffenen Interpretationen über eine bloße Hommage hinaus. Daniel Caccia & Johannes von Beelestrem haben den populären Songs der Sinatra-Ära durch ihre schöpferischen Neubearbeitungen andere, musikalisch spannende Impulse verliehen.
NACHTRAG:
Der wohl zur Zeit berühmteste Jazzsänger, Kurt Elling, sagte schon vor Jahren über Daniel Caccia:
“He’s really got it: the rhythm, the melody, the phrasing. We need more male jazz singers out there like Daniel!“
Aber trotz vieler anderer Lobeshymnen ist der 31jährige Daniel Caccia bei uns vorerst noch recht unbekannt. Ich erfuhr von ihm, als er 2015 für sein großartiges Album „Lifeline“ zusammen mit Roger Cicero und dessen Album „The Roger Cicero Jazz Experience“ eine Jazzecho- Nominierung erhielt. Ich sah mir bei youTube Videos von Daniel an und war begeistert. Das Album „Lifeline“ überzeugte mich dann vollends, um welch ein Jazz-Gesangkaliber es sich bei Daniel Caccia handelt.
Inzwischen ist es kein Gerücht mehr, sondern in trockenen Tüchern: Daniel Caccia ist Sänger und Frontmann der Band von Roger Cicero! Die Aufnahmen für ein deutschsprachiges Album mit der Bigband laufen auf Hochtouren und werden voraussichtlich in diesem Herbst veröffentlicht. Die für Deutschland etwas umständliche Schreibweise seines Nachnamens „Čačija“ wurde in „Caccia“ (gesprochen „Katschia“ – mit der Betonung auf der ersten Silbe) geändert.
Eines ist klar, wie immer das Projekt mit der Roger Cicero Big Band sich gestaltet und aufgenommen wird: Daniel Caccia ist keine Cicero-Kopie.
Es handelt sich bei der Cicero Bigband um hervorragende Musiker. Sie sind es wert, dass Roger’s BigBand weiter besteht. Daniel Caccia ist ein hochtalentierter Jazzsänger voller Kreativität, musikalischer Erfahrung und mit einer starken Stimme ausgestattet, die für die Zusammenarbeit mit einer Bigband geradezu prädestiniert ist.