Köln – Jazz Rezension zu ELLA with the London Symphony Orchestra (erschienen 2017) – Ob ausnahmslos jeder Ella-Fan dieses klanglich wunderbar, gleichwohl sehr kalkuliert produzierte – ich sage mal etwas respektlos „Fake“-Album lieben wird, da bin ich mir nicht sicher.
Im Zuge so mancher wieder veröffentlichter Aufnahmen zu Ella Fitzgeralds 100.Geburtstag (25. April 2017) hat man diesmal Mono-Aufnahmen der 50er Jahre neu mit dem renommierten Londoner Symphony Orchestra eingespielt.
„Wir haben bewusst die frühen Aufnahmen ausgewählt, die Ella für Decca und Verve gemacht hatte, weil uns Mono-Tracks besser ermöglichten, den Klang um zu gestalten“, sagt die Produzentin Juliette Pochin.
Obwohl die Produktion mit einem derart großen Orchester natürlich aufwändig ist, wurde nirgendwo aufgeplustert, sondern mit Sorgfalt und Sensibilität arrangiert und abgemischt.
So besticht „Ella with the London Symphony Orchestra“ durch großartige Klangqualität.
Dieser elegante Soundteppich funktioniert am besten oder überrascht sogar, wenn Louis Armstrong mit dabei ist. Seine kratzige Stimme unterbricht die seidenweiche Schönheit der Ellastimme und bildet einen sehr reizvollen Kontrast zu den breit schwelgenden Streichern. Wunderbar, wie sich Armstrongs typisch kraftstrotzender Trompetenklang bei „They can’t take that away“ einfügt. Außerdem ist es einer der wenigen, schwach swingenden Songs dieser CD. Mehr davon hätte dem Album gut getan. Von den zwölf Songs sind lediglich maximal fünf nicht gerade „ swingend“ aber doch mit mehr oder weniger moderatem Rhythmus.
Denn trotz allem Wohlklang und Ellas über allem Zweifel stehender Gesangskunst: bei so vielen sehr langsamen Stücken mit diesen stilistisch durchweg ähnlichen Streicher-Arrangements stellt sich Gleichförmigkeit und manchmal sogar eine gewisse Überdrüssigkeit ein. Die recht träge gesungene Version des Cole-Porter-Hits „Lets Do It“, ist ein Beispiel dafür. Ella hat diesen Song später auf Konzerten immer sehr humorvoll, vital und dynamisch vorgetragen, was dem Song viel besser steht und den Witz des Textes unterstreicht.
Auch den anderen berühmten Porter-Song auf diesem Album „I get a kick out of you“ hatte Ella auf ihrem zweiten Cole-Porter Album (1972) wesentlich swingender vorgetragen, was für den Song von Vorteil war.
Anders bei Erroll Garners Song „Misty“. Hier breitet sich viel mehr Gefühlstiefe aus, als bei den Porter-Songs. Alles stimmt – vielleicht auch weil neben dem Geigengeschwader sehr passend und gut hörbar ein Piano dabei ist, was dieser Jazzpiano- Ballade einen Teil ihrer Identität zurück gibt.
Auch die eher unbekannte Ballade „What is there to say“ zeigt Ellas Reinheit des Klangs und ihren sprichwörtlichen Schmelz, mit dem sie auch einfachste Songs vergolden kann.
Es sollte jedem Ella-Fan klar sein, dass man mit dem populären Gregory Porter Duett – dessen Nat King-Cole-Album gerade überall vollmundig angekündigt ist – natürlich den CD-Verkauf ankurbeln wollte. Was das (gelungene) Duett „Unforgettable“ von Natalie Cole mit ihrem verstorbenem Vater 1991 auslöste, reicht bis in die jüngste Zeit. Duetts mit verstorbenen Künstlern werden vielfach produziert und sind trotz einiger Häme in den Feuilletons nach wie vor beliebt.
Als Ella- und Porter-Fan habe ich dieses Duett natürlich mit Spannung erwartet. Das Duett mit Gregory Porter swingt moderat, die Stimmen harmonieren ausgezeichnet miteinander. Trotzdem hat man den Porter bisher etwas anders im Ohr: jazziger, souliger. Der Song „People will say we’re in Love“ aus dem Musical „Oklahoma“ (1943) suggeriert mir Bilder von Ballräumen der 30er oder 40er, in dem Paare in Gala elegant durch den Saal schweben: das hat auch etwas von romantischer Operettenseligkeit.
Ich hätte mir das Duett mehr jazzig inspiriert gewünscht – mit einem weniger schwärmerisch-romatischem Song aus Ella’s riesigem Repertoire wäre das auch trotz großem Symphonyorchester möglich gewesen. Es ist sicherlich ein „nettes Duett“ geworden, aber dass es „unter die Haut geht“ wie JAZZECHO kommentiert, kann ich für mich nicht bestätigen.
Beste Songs oder Anspieltips:
They Can’t Take That Away“ mit Louis Armstrong
Misty
Makin‘ Whoopee
Let’s Call The Whole Thing Off, mit Louis Armstrongs
People Will Say We’re In Love. featering Gregory Porter
Bewitched
What Is There To Say
Leider bietet das sparsame Booklet eine besondere Enttäuschung: Nirgendwo ist angeführt welchem Jahr oder welchem Album die Mono-Originalaufnahmen entnommen sind. Es wird nicht einmal erklärt, dass man die alten Aufnahmen mit dem London Symphony Orchestra neu eingespielt hat. Mit anderen Worten: Menschen, die hier unkundig sind, könnten glauben, es seien neue Aufnahmen. Die Rückseite zeigt lediglich das Jahr 2017 an. Ich denke, ein kleiner Einleitungstext wäre dringend von Nöten gewesen.
Das „neue“ Ella-Fitzgerald-Album „Someone to watch over me“ zeigt natürlich nur eine Seite von ihrer legendären Bandbreite – ist aber mit wenigen Einwänden durchaus ein schönes Album geworden . Nur am Ende denkt man manchmal doch an Ellas schlichte Aufnahmen nur begleitet von den Pianisten Paul Smith oder Ellis Larkins. Hier zeigt sich, dass die Sensibilität und pure Eindringlichkeit von Ellas Stimme letztlich beeindruckender und nachhaltig auch authentischer klingt.
Diesmal für ein „Ella-„Album“ keine fünf Sterne, aber vier: Wegen für mich nicht optimaler Songauswahl und mangelhafter Information des Booklets.