Drei Jahre nach Jörg Seidels CD „..singin‘, swinging‘ & scattin‘ about love“ erscheint nun zur Freude der Vokaljazz & -Swingfans sein neues Album „Swing to Bing“ (A Tribute To Bing Crosby).
Im Jubiläumsjahr des Frank Sinatra (der legendäre Crooner und Jahrhundert-Entertainer würde am 12. Dezember 2015 hundert Jahre alt) haben zahlreiche Showgrößen und Sänger selbst in Deutschland viele Konzerte und Events angekündigt. Ein „Tribute to Bing Crosby“ kommt da eher unerwartet aber nichtsdestoweniger ist dies ein willkommenes und auch interessantes Projekt – wie das Album mit vielen Songs beweist.
Selbstverständlich besteht das Repertoire überwiegend aus Standards, aber auch einigen weniger bekannten, lohnenden Songs. Wichtiger als die Songs selbst, sind die musikalischen Konzepte, mit denen das Crosby-Tribut angegangen wurde. Soviel Frische, Können, Musizierbegeisterung und unverkrampfte Kreativität vermag beim Anhören des Albums begeistern.
Versiert und virtuos wird Seidel wieder begleitet von seinem wunderbaren Team: „The Vienna Connection“. Zusätzlich dabei ist diesmal die Sängerin Monika Ballwein. In drei beschwingten Duetten setzten sich beide Vokalisten gutgelaunt in Szene. Ballhaus hat ihren ersten Einsatz im zweiten Song der CD: „Isn’t this a lovely day?“ Nach den ersten Noten von Seidel fällt die Sängerin mit extrem hoher Intonierung in den Song und verbleibt auch weiterhin in recht hoher Tonlage.
Später wird sie in den folgenden Duetten „Don’t fence me in“ und vor allem in „How about me“ mit ihrem klaren Sopran angenehmer, stimmiger für die Songs klingen und somit überzeugen. Bei „Don’t fence me in“ korrespondieren beide Künstler harmonisch mit ihren Scat-Vocals – und bei „How about me“ swingen die synchron gesungenen Duettpassagen besonders schön.
Monika Ballwein nähert sich mit Charme an die gesangliche Stilart, welche häufig bei den weiblichen Stimmen der Vocalgroups wie „The Manhattan Transfer“,“New York Voices“ und „Lambert, Hendriks & Ross“ ( bzw. Bavan) anzutreffen ist.
Mit Scatgesang wird der Hörer auf diesem Album wieder bestens bedient. Gleich im ersten Song „(Where are you)Girl of my dreams“ beweist Jörg Seidel souverän, dass variationsreiches „scatten“ wirklich seine Kaiserdisziplin ist. Dieser Opener ist ein herrlich swingender „finger-snapping- toe-tapping“ Song, begleitet vom dynamisch-satten Sound seines Trios. Durchaus sicher in seiner englischen Diktion beim Balladengesang ist jetzt auch Seidels Aussprache bei den Swingtiteln im Gegensatz zur vorherigen CD lässiger geworden – die Lyrics kommen geschmeidiger und klingen dem Idiom der Musik viel besser angepasst. Zudem ist Seidels Timing perfekt!
Beim schnellen Jazz-Evergreen „Dinah“ (1925) kommt Ragtimefeeling auf. Seidel scattet temporeich, Aaron Wonesch, piano, Johannes Strasser, doublebass und Walter Grassmann drums, begleiten opulent und temperamentvoll.
Mit der betörend schönen Ballade „I don’t stand a ghost of a chance“ erhält die CD ein vokales Meisterstück mit wunderbaren Klangschattierungen – denn Seidels Begabung für den nunacierten Balladengesang ist ebenso beeindruckend autark wie sein Scat. Sein warmer Bariton nimmt sofort gefangen. Wenn er dann allerdings im Mittelteil des Songs mit einer zweiminütigen – also recht langen Passage – seine zugegebenermaßen sehr gekonnte „mouth-trombone“ erklingen lässt, fragt man sich, ob dass in dieser Länge eine glückliche Eingebung war. So gut wie ein echtes Saxophon -oder Trompetensolo – was auch immer – geradezu adäquat in den ruhigen Song passen würde – die Klang-Imitiation eines Instruments mittels „mouth-thrombone“, ermüdet hier den Zuhörer, trotz reizvoller Improvisation. Schon sehr bald entsteht eine sehnsüchtige, unauslöschbare Vorstellung davon, wie ein solches Solo wirklich klingen sollte. Das was wir hier hören, beschwört die (unbefriedigte) Illusion nach einem Solo mit einem echten Instrument. Dieses Einlage könnte ich mir übrigens viel besser als ein improvisatorisches Zwischenspiel in einem Livekonzert vorstellen.
Walzertakt in Jazzsongs kommt zwar immer wieder mal in der sogenannten „Jazzwaltz“ vor, aber nicht unbedingt häufig. „Waltzing in a dream“ ist ein schönes Beispiel dafür, wie glänzend hier die Übergänge der Stilarten den Musikern des Trios in ihren jazzigen und assoziativen Improvisationen gelingen. Der Sänger scattet sich mit großer Präsenz frei um dann zum Ausklang des Songs melodisch zurück zur Walzerseeligkeit zu finden. Gelungen!
Ein klares Highlight des Albums „Jörg Seidel Sings -„Swing To Bing“ ist das stark bluesig konzipierte „My Woman“. So hatte ich Jörg Seidel noch nicht gehört. Natürlich hat seine Interpretation nichts mit „schwarzem“ Blues zu tun – Seidel findet hier jedoch als „weißer“ Sänger mit „weißer“ Stimme sein eigenes Zuhause des Blues. So interpretiert er Text und Musik ausdrucksvoll in kräftigen Klangfarben – eher kultiviert als traditionell, aber immer engagiert. Es klingt nach elegantem Jazzclub der Sechziger und nicht nach Baumwollfeld , ist aber dennoch voller Intensität und Drive, nicht zuletzt wegen seines Trios. Hier dominiert jetzt Pianist Aaron Wonesch besonders mit wuchtig-spannungsreichem Spiel.
Im folgenden Jazz-Klassiker „Exactly like you“ brilliert der Pianist nochmals mit einem Solo und Jörg Seidel zeigt sich als exzellenter Gitarrist.
„At your comman“ ist erst die zweite, wirkliche Ballade auf diesem sehr rhythmischen, hauptsächlich auf Swingkurs fokussiertem Album. Ein melancholisch-trauriger Song um verlorene Liebe, den Jörg Seidel gefühlvoll und stilsicher interpretiert. Bassist Johannes Strasser setzt dem Song mit einem Bass-Solo schlichte Glanzlichter.
Mit dem superschnellen „From Monday on“ findet diese CD einen gebührend „hochrhythmischen“ Abschluss. Schlagzeuger Walter Grassmann hat ein kurzes heftiges Drum-Solo, Seidels Vocals kommen mit Schwung und Eile, enden mit kurzen Scat-Phrasen und dann ist der Song auch schon vorbei.
„Swing To Bing“ ist ein wunderbares, swingendes Jazz-Album geworden – das Repertoire exquisit wie Seidels erstes Vokalalbum, aber vielseitiger. Sein Gesang wirkt ausgereifter und lässiger, sein Trio ist perfekt auf ihn, aber auch auf die Songs an sich abgestimmt.
Kurzum: Das Album macht großen Spaß und beeindruckt in musikalischen Details.